Amrum
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Amrum

Amrum
„Amrum“ // Deutschland-Start: 9. Oktober 2025 (Kino)

Inhalt / Kritik

Deutschland, 1945: Der Zweite Weltkrieg neigt sich langsam dem Ende zu. Das will Hille (Laura Tonke) aber nicht wahrhaben, die gemeinsam mit ihrer Familie auf Amrum unter schwierigen Bedingungen lebt und noch immer daran glaubt, dass die Deutschen am Ende siegreich sein werden. Als Adolf Hitler Selbstmord begeht, bricht für sie daher eine Welt zusammen. Obwohl sie gerade ein Töchterlein geboren hat, fehlt ihr jeder Lebenswille. Was auch immer man ihr zu essen anbieten, sie nimmt kein Stück davon. Lediglich ein Weißbrot mit Butter und Honig, ein absoluter Luxus in der Kriegszeit, würde sie annehmen. Ihr Sohn Nanning (Jasper Billerbeck) will ihr diesen Luxus ermöglichen und macht sich daher auf die Suche nach Zutaten – und erfährt dabei gleichzeitig noch einiges über seine Familie …

Der normale Kampf ums Überleben

In der letzten Zeit scheint sich Fatih Akin primär für die Abgründe der Menschheit interessiert zu haben, die auf wahren Geschichten basierten. Erst erzählte er in der Romanadaption Der Goldene Handschuh (2019) von dem Serienmörder Fritz Honka und zelebrierte dabei das Abstoßende. Anschließend setzte er in Rheingold (2022) dem Rapper Xatar ein musikalisches Denkmal, der zunächst als Räuber in den Nachrichten stand, bevor er auch künstlerisch auf sich aufmerksam machte. Mit Amrum nimmt er sich nun des Themas Nationalsozialismus an, was ebenfalls für zahlreiche Abgründe gut ist. Und doch ist sein Historiendrama anders, als man es erwarten könnte, wenn er diese Zeit aus Sicht eines Kindes wiederaufleben lässt.

Genauer basiert der Film auf den Kindheitserinnerungen von Hark Bohm, mit dem Akin bereits mehrere Male zusammengearbeitet hatte und der hier als Co-Autor auftritt. Der Blick zurück ist dabei nicht verklärend, wenn uns Amrum die schwierigen Lebensumstände der Menschen zum Ende des Zweiten Weltkriegs vor Augen führt. Immer wieder wird thematisiert, wie rar für uns alltägliche Lebensmittel waren. Wenn die gesamte Geschichte daran aufgezogen wird, dass der Junge ein simples Weißbrot mit Butter und Honig besorgen will, dann ist klar: Ein Zuckerschlecken ist das nicht. Akin nimmt sich auch sehr viel Zeit, um den Alltag mit all seinen Entbehrungen aufzuzeigen, ohne sich deshalb aber dem Voyeurismus hinzugeben. Der tägliche Kampf wird nicht aufgebauscht, nicht ausgeschlachtet, sondern als etwas gezeigt, was so normal geworden ist, dass die Leute es gleichmütig hinnehmen.

Impressionistisches Zeitporträt mit wunderbaren Bildern

Stärker zu Herzen geht einem daher ein anderer Aspekt. Wie der Junge alles dafür tut, um das Brot für seine Mutter zu besorgen, mag völlig übertrieben erscheinen. Aber es ist eben auch sein Kampf um die Liebe der Mutter, die so sehr in ihrem nationalsozialistischen Wahn gefangen ist, dass sie alles Menschliche vergessen hat. Sie verrät die Nachbarin, will ihre Schwester aus dem gemeinsamen Haus werfen, weil diese die Familie über den Führer stellt, und vernachlässigt die eigenen Kinder. Und doch verteufelt Amrum sie nicht einseitig, sondern zeigt sie als Menschen, der so sehr der Ideologie verfallen ist, dass die Welt mit dem Selbstmord Hitlers zu existieren aufhört. Es liegt an Nanning, sich um sie und die jüngeren Geschwister zu kümmern, obwohl er vieles überhaupt nicht versteht.

Das hätte schnell kitschig werden können. Stattdessen ist das Drama, das 2025 in Cannes Weltpremiere hatte, ein über weite Strecken angenehm zurückhaltendes Werk geworden. Umrahmt von wunderbaren Landschaftsaufnahmen, die fast schon zu schön sind, ist Amrum dabei prinzipiell ein Porträt des damaligen Lebens auf der Insel geworden. Die Suche nach den Zutaten für das Brot ist ein bloßer Anlass, um die unterschiedlichsten Leute und ihre Geschichten vorzustellen. Der Film ist daher immer mal wieder impressionistisch angelegt, findet neue Aspekte und Schicksale, nur um sie dann wieder aus den Augen zu verlieren. Manche werden dabei vielleicht einen roten Faden vermissen oder würden sich wünschen, dass Teile stärker vertieft worden wären, Figuren weiter charakterisiert. Aber auch so ist diese Reise in die Vergangenheit sehenswert geworden, wenn sie Zeitkolorit mit Universellem verbindet, von Liebe und Verlust erzählt – aber auch einem Zusammenhalt, der einem Tränen der Rührung in die Augen treibt.

Credits

OT: „Amrum“
Land: Deutschland
Jahr: 2025
Regie: Fatih Akin
Drehbuch: Fatih Akin, Hark Bohm
Musik: Hainbach
Kamera: Karl Walter Lindenlaub
Besetzung: Jasper Billerbeck, Kian Köppke, Laura Tonke, Lisa Hagmeister, Detlev Buck

Bilder

Trailer

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Amrum
fazit
Basierend auf Kindheitserinnerungen erzählt „Amrum“, wie ein Junge seiner depressiven Mutter ein Honigbrot besorgen will. Die Suche ist dabei nicht viel mehr als ein Vorwand, um das Leben auf der Insel zum Ende des Zweiten Weltkriegs aufzuzeigen. Doch das impressionistisch angelegte Drama geht zu Herzen und ist nicht zuletzt wegen der wunderbaren Landschaftsaufnahmen sehenswert.
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