Flottenverbrauch: Wie die Autohersteller die neuen Grenzwerte einhalten
Es gibt 2025 neue EU-Vorgaben fĂĽr den Verbrauch. Autohersteller haben unterschiedliche Strategien, wie sie drohende Strafen vermeiden.
Die simpelste Methode, um die Ziele bei den Vorgaben zum Flottenverbrauch zu erreichen: Den Verkaufsanteil von Elektroautos erhöhen.
(Bild: Franz)
- Christoph M. Schwarzer
94 statt 119 Gramm pro Kilometer: Der erlaubte Grenzwert für die durchschnittlichen CO₂-Emissionen der tatsächlich verkauften Neuwagen eines Herstellers in der EU sinkt 2025 erheblich ab. Zwar hat die Autoindustrie 2024 nach Zahlen des International Council on Clean Transportation (ICCT) mit im Mittel 107 g CO₂/km bereits einen guten Teil der Strecke zum 94-Gramm-Ziel zurückgelegt. Frei von Anstrengungen wird es aber nicht möglich sein, die verschärften gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Die Konzerne haben vielfältige Möglichkeiten. Mehr Elektroautos verkaufen ist die simpelste Methode, um besser zu werden. Die Prognose: Weiterhin wird niemand wegen des CO₂-Flottenmechanismus auch nur einen Euro Strafzahlung nach Brüssel überweisen. Welcher Hersteller wählt dafür welche Strategie?
Vor der Antwort auf diese Frage soll nochmals das System selbst erklärt werden: Jedem neu zugelassenen Pkw im Europäischen Wirtschaftsraum (EU 27, Island, Liechtenstein und Norwegen) ist ein CO₂-Wert pro Kilometer zugeordnet. Dieser wird bei der allgemeinen Typprüfung auf dem Prüfstand am Auspuff gemessen. Elektroautos gehen mit null Gramm in die Bilanz ein. Der Durchschnitt aller im europäischen Wirtschaftsraum verkauften Pkw eines Herstellers ist der maßgebliche CO₂-Wert. Zugleich werden die Emissionen der Kraftstoff- und Fahrstromseite über die Renewable Energy Directive (RED) reguliert.
Gemeinsames Bilanzieren
Jeder Hersteller darf sich mit jedem gemeinsam bilanzieren. Diese sogenannten Pools müssen vorab angemeldet werden. Entscheidend ist, dass das Gesamtergebnis stimmt. Für die Jahre 2021 bis 2024 galt ein durchschnittlicher Grenzwert von 95 g CO₂/km im eigentlich längst abgeschafften Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ). Umgerechnet in das aktuelle Verfahren Worldwide harmonized Light vehicle Test Procedure (WLTP) waren das die erwähnten 119 g CO₂/km. Für die Abrechnungsperiode 2025 bis 2029 beträgt der vorläufige Grenzwert wie beschrieben 94 g CO₂/km im WLTP.
Schwere Flotten werden belastet
Die CO₂-Grenzwerte der Flotte eines bestimmten Herstellers sind unterschiedlich hoch, weil es einen Gewichtsfaktor gibt. Der hat in der Vergangenheit zu einem Nachlass für Marken mit besonders schweren Autos geführt. Die gleiche Formel bewirkt nun das Gegenteil. Die herstellerspezifischen Grenzwerte für 2025 wurden neu berechnet. Anders als bisher, als schwere Pkw gleichbedeutend mit hohen CO₂-Emissionen waren, senken gleich schwere Elektroautos den CO₂-Durchschnitt ab – und die wurden von genau jenen Hersteller anteilig häufig zugelassen, die bereits eine Kundschaft mit viel Kaufkraft hatten. Wenn etwa Mercedes zu einem GLC (Test) einen EQC verkauft hat, hat das den mittleren CO₂-Wert gesenkt. Diese Reduktion wiederum führt zum erwähnten paradoxen Effekt: Die Flottengrenzwerte sind für alle Hersteller deutlich verschärft worden, die ein besonders gewichtiges Portfolio auf die Straße bringen.
Hierzu zwei Extrembeispiele: BMW hatte 2024 eine individuelle CO₂-Vorgabe von 129 statt der durchschnittlichen 119 g CO₂/km. 2025 dagegen werden es 93 g CO₂/km sein. Formal also ein Minus von 36 g CO₂/km. Renault mit einer relativ leichten Flotte musste im vergangenen Jahr 111 g CO₂/km erreichen und im laufenden Jahr auf 96 g CO₂/km reduzieren. Macht minus 15 g CO₂/km. Welche Handlungsmöglichkeiten, Befindlichkeiten und mutmaßlichen Strategien haben die Autohersteller, um die CO₂-Vorgaben 2025 straffrei zu erreichen?
Tesla
Tesla verkauft ausschließlich Elektroautos. Das eröffnet die Möglichkeit, mit anderen Herstellern einen Pool zu bilden und Geld dafür zu bekommen. Anders als vielfach vermutet ist das in Europa bisher nicht passiert. Die Summen, die Tesla in der Bilanz für den CO₂-Handel ausweist, stammen vorwiegend aus den USA. Es ist auffällig, welche zwei Konzerne 2025 bei der Europäischen Union formal einen Pool mit Tesla angemeldet haben: Der Vielmarkenverbund Stellantis und Ford. Welche Verträge es zwischen diesen beiden und Tesla gibt, ist unbekannt. Ob Stellantis und Ford lediglich eine Art Option geschaffen oder bereits eine Mindestabnahmemenge vereinbart haben, ist vertraulich. Die pure Möglichkeit von Stellantis und Ford mit Tesla zu poolen, ist wichtig für die derzeitige Vermarktungsstrategie.
(Bild:Â Tesla)
Volvo und Polestar (73 -> 90 g COâ‚‚/km)
Volvo und Polestar gehören zum Geely-Konzern aus China und haben, genau wie Tesla, den Grenzwert für 2025 bereits unterboten. Polestar verkauft ohnehin nur Elektroautos, und Volvo weitet das Angebot nach dem beliebten EX30 (Test) mit dem voluminösen EX90 (Fahrbericht) aus. Geely ist zugleich mit rund zehn Prozent der größte Einzelaktionär bei Mercedes. Es ist wenig verwunderlich, dass Mercedes bei der Europäischen Union das Pooling mit Volvo und Polestar beantragt hat.
Mercedes und Smart (106 -> 91 g COâ‚‚/km)
Mercedes ist einerseits auf einem sehr guten Weg, die verschärften CO₂-Vorgaben zu erfüllen. Andererseits hat Mercedes mehrere Fehler gemacht, die dazu führen können, dass das erwähnte Pooling mit Volvo elementar wird. So hat Mercedes mit dem Design von EQE und EQS die europäischen traditionellen Kunden verprellt. Zugleich hat die gewollte Anbiederung an den vermeintlichen Geschmack in China dort nicht funktioniert. Dass kein Kombi auf Basis des EQE angeboten wird, kommt in Westeuropa belastend dazu. Lieblos wirkt außerdem die Modellpflege der konventionellen Mercedes EQA und EQB.
(Bild:Â Mercedes)
Die konservativen Käufer in Europa sollen sich vorübergehend mit den Plug-in Hybridautos in allen Baureihen zufriedengeben. Der Haken: Im Flottenmechanismus werden Plug-in Hybride in zwei Stufen 2025 und 2027 abgewertet: Die CO₂-Emissionen steigen auf dem Papier deutlich an, wenn die elektrische Reichweite nicht drastisch zunimmt. Das war Mercedes selbstverständlich bekannt. Trotzdem kämpft Konzernlobbyist Eckart von Klaeden, ehemals Staatsminister im CDU-Bundeskanzleramt, beim strategischen Dialog in Brüssel für einen Aufschub oder eine Abschaffung dieser schrittweisen Entwertung von Plug-in Hybridautos.
Für Mercedes wird 2025 ein unangenehmes Jahr. Neuheiten wie der CLA mit der überfälligen 800-Volt-Plattform greifen erst 2026 so richtig. Dann wird zusätzlich der elektrische GLC auf der gleichen Basis erhältlich sein, eins der weltweit populärsten Modelle von Mercedes. Es wird alles absehbar besser. Bis es das nicht ist, wird sich Mercedes gegen die Beibehaltung des CO₂-Flottenmechanismus in der derzeitigen Form einsetzen. Siehe auch der Absatz zur Flexibilisierung im Kapitel Stellantis.
BMW und Mini (99 -> 93 g COâ‚‚/km)
BMW hat eine besonders erfolgreiche Elektrifizierungsstrategie: Beim Design sind viele Elektroautos identisch mit den Verbrenner-Modellen. Es hat sich als richtig herausgestellt, dass Elektroautos eben nicht anders aussehen müssen als jene mit Verbrennungsmotor. Das ist mutmaßlich ein Ergebnis der Experimente mit i3 und i8. Nach außen präsentiert sich BMW gerne technologieoffen und handelt faktisch sehr konsequent: Alles wird batterieelektrisch, auch wenn das noch nicht alle Kunden begriffen haben.
Nach erfolgreichen Baureihen wie dem iX1 (Test) folgt 2025 die Neue Klasse mit einem SUV (NA5) als Ablösung für den iX3 und später mit der Limousine NA0 als elektrischem 3er. Ein Kombi (NA1) kommt kurz danach. Bis zum 5. März findet in Brüssel der strategische Dialog aus EU-Kommission und Industrievertretern statt. Die Stimmung, so heißt es von Branchenkennern, ist mies. Die Autoindustrie fordert eine Aufweichung der CO₂-Ziele. Sollte das passieren, wäre das für den Ehrgeiz von BMW eine Bestrafung.
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Toyota (109 -> 94 g COâ‚‚/km)
Toyota würde niemals öffentlich über den CO₂-Flottenmechanismus klagen. Der Weltmarktführer aus Japan macht mit der Modellpolitik trotzdem klar, was er von Elektroautos hält: Sehr wenig. Bisher war das breite Hybrid-Angebot ausreichend. Ein paar SUVs vom Typ bZ4X und vor allem sehr viele Hybrid-Pkw waren 2024 genug, um die CO₂-Vorgaben locker zu unterbieten. 2025 ist das anders. Toyota wird einige Urban Cruiser verkaufen müssen. Diese elektrische Interpretation des Yaris Cross (Test) könnte wegen des zielgruppengerechten Designs einen Achtungserfolg erzielen.
Gebaut wird der Urban Cruiser übrigens in Indien, und er wird mit robusten und preisgünstigen LFP-Zellen ausgeliefert. Das passt gut zum verlässlichen Ruf der Marke. Toyota hat längst angekündigt, dass eine komplett neu konstruierte Generation von Elektroautos ab 2026 auf den Markt kommt. Aus Unternehmenssicht mag das schlüssig sein, es birgt aber die Gefahr, währenddessen Käufer an andere Marken zu verlieren.
(Bild:Â Toyota)
Kia (104 -> 93 g COâ‚‚/km)
Ähnlich wie BMW hat sich Kia als Hersteller von Elektroautos etabliert. Das Mittel zur Einhaltung der kommenden CO₂-Grenzwerte sind immer mehr Elektroautos. In den preissensiblen Segmenten – derzeit ist das nur der Kia EV3 (Test) – haben die Elektroautos ein Batteriesystem mit 400 Volt Spannung. Ab dem EV6 kommt das erstklassige 800-Volt-System zum Einsatz. Kia geht in Kürze mit einer Modelloffensive in die Breite: Der Hochlauf des EV3 wird begleitet von der Premiere des EV4 in zwei Karosserieversionen sowie des Kleinwagens EV2. Alle haben 400 Volt Batteriespannung. Eine Ergänzung für Gewerbetreibende ist die Nutzfahrzeugserie PBV.
Stellantis (111 -> 96 g COâ‚‚/km)
Eigentlich hatte der Stellantis-Konzern eine Vielzahl von preisgünstigen Elektroautos vorgestellt. Zum Beispiel den Citroën ë-C3 und den ë-C3 Aircross. Opel, Alfa Romeo, Fiat und Jeep gehören gleichfalls zu Stellantis. Die Auslieferung im großen Maßstab verzögert sich. Liegt es wirklich an Problemen mit der Software? Oder möchte der Konzern taktisch dokumentieren, dass es für Anbieter im preissensiblen Segment besonders schwierig ist, Elektroautos anzubieten?
(Bild:Â Schwarzer)
Auffällig ist in jedem Fall die hohe Preisdifferenz zwischen hybridisierten Verbrenner-Pkw mit Automatikgetriebe und Elektroautos auf der gleichen Basis. Beim Peugeot 208 etwa sind es rund 10.000 Euro. Ein Unterschied, der angesichts rapide verfallender Batteriekosten übertrieben sein dürfte. Der Verdacht: Es wird gemauert. Kreise aus Brüssel berichten, dass Stellantis sich für eine Flexibilisierung einsetzt. Gemeint ist, was der damalige Bundeswirtschaftsminister Habeck im Dezember 2024 skizziert hatte: Sollte ein Hersteller 2025 die CO₂-Vorgaben verfehlen, könnte er einen Kredit auf die Jahre 2026 und 2027 aufnehmen.