Nachruf auf den Rennfahrer Jochen Mass

Jochen Mass, ein Rennfahrer, der in vielen Serien mitfuhr, ist in Cannes an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben. Er wurde 78 Jahre alt.

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Joachim Mass 2017

Jochen Mass auf den Classic Days Schloss Dyck 2017

(Bild: Mercedes-Benz)

Lesezeit: 4 Min.
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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Der ehemalige deutsche Formel-1-Rennfahrer Joachim "Jochen" Mass ist tot. Wie seine Familie bestätigt, starb Mass am 4. Mai in Cannes an den Folgen eines Schlaganfalls, den er im Februar erlitten hatte. Mass wurde 78 Jahre alt. Aus Dorfen bei München stammend, zieht er Mitte der 1950er-Jahre in die Pfalz, ist zunächst Matrose der Handelsmarine, findet erst über eine Freundin zum Motorsport. Sein neues Lebensthema geht er von Grund auf an: Er lernt Automechaniker bei der Alfa-Romeo-Niederlassung Helmut Hähn in Mannheim. Nicht etwa, weil er sich so sehr fürs Schrauben begeistert, sondern vielmehr wegen des hauseigenen Alfa-Rennstalls. Mit dem dort eingesetzten Alfa GTA beweist er bald, dass er rasant fahren kann – aber mit Köpfchen.

Das bleibt Ford nicht verborgen, wo man ihn 1971 als Werksfahrer für den Capri engagiert. Er startet in England in der Formel 3 und steigt 1972 auf in die Formel 2. In einem Werks-March gewinnt er 1972 das Eifelrennen. Daraufhin wird er von John Surtees für die Formel-2-EM und erste Grands-Prix eingesetzt. Nach den Siegen im schwedischen Kinnekulle und auf dem Hockenheimring und drei zweiten Plätzen setzt Teamchef John Surtees ihn 1973 in der Formel 1 im englischen Silverstone beim Grand Prix von Großbritannien ein.

Insgesamt fährt Mass 105 Rennen in der Königsklasse, unter anderem für das britische Traditionsteam McLaren und sammelt dabei 71 Weltmeisterschaftspunkte. Achtmal erreicht er Podiumsplätze, einer davon ganz oben auf dem Treppchen: Am 27. April 1975 gewinnt er auf dem Rundkurs von Montjuïc in Barcelona mit einem McLaren-Ford Cosworth den Großen Preis von Spanien. "Als ob man ein Tor in seiner Länderspielkarriere geschossen hat", sagt Mass zu seinem einzigen Formel-1-Sieg. Ein bitterer Triumph, denn das Rennen musste nach einem Unfall beendet werden, der einem Zuschauer, zwei Journalisten und einem Feuerwehrmann das Leben kostete. Der Wagen von Rolf Stommelen war wegen eines abgebrochenen Heckflügels von der Strecke abgekommen.

In der Saison 1982 tritt Mass zu seinem letzten Formel-1-Rennen an, nachdem er zuvor infolge eines Missverständnisses mit Ferrari-Pilot Gilles Villeneuve kollidiert war. Gilles hatte den Zusammenstoß nicht überlebt. Mass wollte mit seinen Selbstvorwürfen und den Zweifeln nach einem weiteren für ihn potenziell tödlichen Unfall in dieser Saison keine Formel-1-Rennen mehr bestreiten.

Nachdem er sich schon in den 80er-Jahren auf Langstreckenrennen spezialisiert hatte, wird das sein neuer Weg. Bereits 1982 hatte er mit einem Porsche 956 bei den 24 Stunden von Le Mans die zweite Position erreicht, 1987 gewinnt er fĂĽr Porsche die 12 Stunden von Sebring. 1989 siegt er fĂĽr Sauber-Mercedes mit Manuel Reuter und Stanley Dickens auf dem Sauber C9 die 24 Stunden von Le Mans und die Marken-WM.

Nach seiner aktiven Karriere bleibt Mass ein gefragter Experte, zwischen 1994 und 1997 offiziell für die Formel-1-Übertragung von RTL. 1999 fährt er ein letztes Rennen mit einem Audi TT an den 24 Stunden auf dem Nürburgring. Er wird Präsident des Clubs der ehemaligen Formel-1-Piloten und bleibt in den vergangenen Jahrzehnten aktiv bei zahlreichen Veranstaltungen, vor allem Oldtimer-Rennen und als Markenbotschafter. Als erfahrener Ratgeber soll Jochen Mass 1995 Michael Schumacher geraten haben, nicht zum überlegenen Williams-Team zu wechseln. So ging Schumacher zu Ferrari – der Rest ist Geschichte.

Nach fast sechs Jahrzehnten Motorsport gilt erst recht zu seinem Todestag, was er einmal anlässlich seines 70. Geburtstags resümierte: "... dass du das erleben darfst, bei der Rennerei! Andere haben einen viel höheren Preis dafür gezahlt, deswegen bin ich eher dankbar als traurig". Joachim Mass hatte offenbar nicht nur auf der Piste, sondern auch im wirklichen Leben seine Ideallinie gefunden. Er hinterlässt seine Ehefrau Bettina, vier Kinder und fünf Enkel.

(fpi)