Sport-Motorrad CFMoto 675 SR-R aus China im Test: Schnell, schick und gĂĽnstig

CFMoto ist mehr als nur ein Auftragsfertiger für KTM in China. Seine Eigenentwicklung 675 SR-R fährt noch schneller als sie aussieht. Der Preis: unschlagbar.

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CFMoto 675 SR-R

(Bild: CFMoto)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Ingo Gach
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Nicht einmal unter langjährigen Motorradfahrern ist die Marke CFMoto weithin bekannt, doch das wird sich vermutlich rasch ändern. In diesem Test, so viel sei hier schon verraten, überzeugte die CFMoto 675 SR-R nahezu rundum und bringt mit einem vergleichsweise günstigen Preis noch einen bemerkenswerten Akzent mit.

Die chinesische Motorradindustrie setzt zum Sprung nach Europa an, um sich auf dem prestigeträchtigen und finanzkräftigen Markt zu etablieren. Dass sie dafür in der Qualität ein hohes Niveau bieten müssen, wissen sie. Als eine der herausragenden Marken gilt CFMoto. KTM lässt bereits seit Jahren bei ihnen in China günstig seine 790er-Modelle bauen, umgekehrt darf CFMoto den Zweizylindermotor offiziell für seine Modelle benutzen. Sicher haben die Chinesen vom Know-how der Österreicher profitiert, doch sind sie längst nicht mehr darauf angewiesen und entwickeln eigenständig Motoren.

Ein bemerkenswertes Beispiel ist die neue CFMoto 675 SR-R, ein bildschönes Sportmotorrad mit einem Dreizylindermotor. Dass die Marke sportaffin ist, hat sie mit dem Gewinn der letztjährigen Moto3-Weltmeisterschaft bewiesen, auch wenn der 250er-Motor vom Partner KTM stammte. Jetzt hofft CFMoto, den Erfolg in klingende Münze umwandeln zu können. Die Optik der 675 SR-R stammt vom italienischen Design-Studio Modena 40, das auch für die italienische Traditionsmarke MV Agusta tätig ist. Sie wirkt schon im Stand sehr dynamisch mit ihren nach hinten ansteigenden Linien, dem kompakten Tank und dem hoch aufragenden Heck.

Sie zeigt einen sehr modernen Look mit verschachtelter Verkleidung und dezenten Winglets. Ihre schräg stehenden Doppelscheinwerfer samt Tagfahrlichtern sind von LEDs illuminiert, das gewissermaßen frei stehende, schmale LED-Rücklicht setzt einen besonderen Akzent. Die breite Schwinge und der kurze Auspuff passen zur Gesamterscheinung. Die Verarbeitung ist bemerkenswert gut und straft alle Vorurteile über chinesische Motorräder Lügen.

Noch interessanter ist der Dreizylinder. Mit 675 cm3 Hubraum folgt er dem Vorbild der Supersportler, die früher laut FIM-Reglement mit drei Zylindern nicht größer sein durften. Allerdings versucht CFMoto erst gar nicht, maximale Leistung aus dem Motor zu quetschen, sondern belässt es bei 95 PS bei 11.000/min. Für den europäischen Markt mit der Abgasnorm Euro 5+ sind es nur 88 PS.

CFMoto 675 SR-R I (8 Bilder)

Die chinesische Marke CFMoto bringt mit der 675 SR-R einen hĂĽbschen Sportler nach Europa. (Bild:

CFMoto

)

Klingt erst einmal nach überschaubarer Leistung, aber sie muss nur 189 kg Leergewicht anschieben. Bei meinem Test auf der Rennstrecke stellt sich bald heraus, dass die 675 SR-R erstaunlich schnell unterwegs ist. Ihre Sitzposition ist gelungen, sie erweist sich als sportlich, aber nicht unbequem. Ich hocke in 810 mm Höhe und dank des kurzen 15-Liter-Tanks muss ich mich nicht zu tief nach den Lenkerstummeln bücken. Die Aluminium-Fußrasten sind dem Einsatzzweck entsprechend relativ weit hinten positioniert. Die Bewegungsfreiheit im überraschend bequemen Sattel ist gut, die Gewichtsverlagerung von einer auf die andere Seite gelingt locker.

Der unverkennbare Dreizylinder-Sound jagt mir eine wohlige Gänsehaut über den Rücken, dabei wird die CFMoto aber nie übertrieben laut. Die Gasannahme sollte einen Hauch spontaner sein, geht aber gerade noch in Ordnung. Verschiedene Fahrmodi bietet die 675 SR-R nicht, da sie über kein "Ride-by-wire" verfügt. Sie hat serienmäßig einen Quickshifter, der aber nur hochschalten kann und gerne etwas sanfter agieren dürfte. Beim Runterschalten muss die leichtgängige Kupplung bemüht werden, wobei eine Anti-Hopping-Kupplung für Ruhe im Antriebsstrang sorgt.

Spannende Motorräder

CFMoto hat die 675 SR-R ganz auf Handlichkeit ausgelegt, mit 1400 mm Radstand und mit 64 Grad Lenkkopfwinkel. Sie lässt sich spielerisch abwinkeln, fällt fast von allein in Schräglage und auch Korrekturen in der Kurve lässt sie ohne Protest zu. Das Herausbeschleunigen fällt dem Dreizylindermotor leicht, er zieht sauber hoch bis zum Drehzahlbegrenzer, wo er dann allerdings ziemlich abrupt abregelt. Das Drehmoment von 68 Nm bei 8250/min reicht der 675 SR-R aus, um auch mal einen Gang höher in der Kurve drin zu lassen, ohne danach zu verhungern.

Eine echte Überraschung sind die Reifen des chinesischen Herstellers CST: Die Migra S3N in den bei Supersportlern üblichen Dimensionen 120/70-17 vorn und 180/55-17 hinten bieten guten Grip, auch wenn die zweistufige Schlupfregelung ausgeschaltet ist. Letztere regelt im aktivierten Zustand etwas grob. Bei den Federelementen setzt CFMoto auf den japanischen Spezialisten KYB.

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Vorn arbeitet die voll einstellbare Upside-down-Gabel feinfühlig auf 130 mm Arbeitsweg und liefert ein klares Gefühl für das Vorderrad. Im hinteren Federbein sind es ebenfalls 130 mm Federweg, die sich in Vorspannung und Zugstufe noch variieren lassen. Natürlich sind sie für den sportlichen Einsatz eher straff abgestimmt, aber dafür kennen sie kein Aufschaukeln.

CFMoto 675 SR-R II (7 Bilder)

Die 675 SR-R verfĂĽgt ĂĽber Winglets, die so geschickt integriert wurden, dass sie kaum auffallen. (Bild:

CFMoto

)

Die beiden radialen Vierkolben-Bremszangen von J.Juan mit 300 mm großen Bremsscheiben verzögern bissig, mit klarem Druckpunkt und ohne Fading. Wer die Sicherung unter der Sitzbank zieht, legt das ziemlich früh regelnde ABS lahm, was natürlich nur für die Rennstrecke erlaubt ist, dafür aber wesentlich spätere Bremspunkte zulässt. Etwas übertrieben erscheinen mir die Lufthutzen am Vorderrad, die den Bremssätteln kühlenden Fahrtwind zuleiten sollen – der Effekt dürfte vernachlässigbar sein.

Auf der Rennstrecke schlägt sich die 675 SR-R wirklich wacker und bereitet dank ihrer Handlichkeit einen Mörderspaß, allerdings setzen die Angstnippel der Fußrasten in großer Schräglage auf. Das kratzt zwar hässlich, ist jedoch nicht wirklich bedenklich. Als Höchstgeschwindigkeit gibt CFMoto "über 220 km/h" an, was mir etwas optimistisch erscheint. Das fünf Zoll große TFT-Display offeriert einiges an netten Spielereien, zum Beispiel Laptimer, Apple Car Play bzw. Android Auto, Navigation, Geofencing und die Upgrades kommen "over-the-air". Leider werden manche Informationen wie Reifendruckanzeige, Kühlmitteltemperatur und Reichweitenanzeige zu klein dargestellt.

CFMoto hat einen wirklich gelungenen Sportler auf die Räder gestellt. Die 675 SR-R ist agil und unter einem ambitionierten Fahrer auch flott unterwegs. Den Joker ziehen die Chinesen beim Preis: nur 7590 Euro erwartet CFMoto für sein hübsches und freudvoll fahrdynamisches Sportbike – da kann derzeit kein Konkurrent mithalten.