Wahlsystem der Bundestagswahl


Bundestagswahl am 23. Februar 2025: ► Wahlergebnis und Sitzverteilung • Umfragen • Wahlergebnisse

Wahlsystem der Bundestagswahl 2025

Personalisierte Verhältniswahl mit geschlossenen Listen

Besonderheiten

Abgeordnetenzahl

Der Deutsche Bundestag besteht ab der Bundestagswahl 2025 aus 630 Sitzen. Davon werden bis zu 299 Mandate in Einerwahlkreisen nach relativer Mehrheitswahl und die restlichen Mandate (also mindestens 331) über die Landeslisten der Parteien vergeben. Es gibt keine Überhang- und Ausgleichsmandate.

Wahlperiode

Die Legislaturperiode beträgt vier Jahre. (Die Einführung einer fünfjährigen Legislaturperiode wird regelmäßig diskutiert.)

Aktives und passives Wahlrecht

Aktiv wahlberechtigt ist jeder Deutsche, der am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet hat und irgendwann nach Erreichen des 14. Lebensjahrs und innerhalb der letzten 25 Jahre mindestens drei Monate lang ununterbrochen in der Bundesrepublik Deutschland gelebt hat.

Desweiteren wählen dürfen im Ausland lebende Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit, die aus anderen Gründen persönlich und unmittelbar Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland erworben haben und von ihnen betroffen sind – so die etwas schwammige Regelung im Bundeswahlgesetz. (Im Ausland lebende Deutsche erfahren beim Bundeswahlleiter, wie sie an der Bundestagswahl teilnehmen können.)

Passiv wahlberechtigt (wählbar) sind alle volljährigen Deutschen, unabhängig vom Wohnort. Die Regelung, wonach man für die Wählbarkeit mindestens seit einem Jahr die deutsche Staatsbürgerschaft haben muss, wurde zur Wahl des 15. Deutschen Bundestages (2002) abgeschafft.

Ausgeschlossen vom aktiven und passiven Wahlrecht sind lediglich Personen, denen das Wahlrecht von einem Gericht für zwei bis fünf Jahre unter bestimmten Voraussetzungen aufgrund politischer Straftaten entzogen wurde. Darüber hinaus verliert automatisch das passive Wahlrecht für fünf Jahre, wer wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird. Die zuvor geltenden Wahlrechtsausschlüsse für betreuungsbedürftige Personen und für als schuldunfähig in der Psychiatrie untergebrachte Personen wurden aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2019 aufgehoben.

Stimmenzahl

Jeder Wähler hat zwei Stimmen: die Erststimme für einen Wahlkreiskandidaten im Wahlkreis, die Zweitstimme für eine Partei und deren Landesliste.

Einteilung des Wahlgebietes

In den 16 Bundesländern treten die Parteien mit Landeslisten an. Die Bundesländer sind in – je nach Bevölkerungszahl – mehrere Wahlkreise eingeteilt, in denen jeweils ein Wahlkreiskandidat einer Partei (oder auch parteiunabhängige Bewerber) antreten kann.

Zur Berechnung der Zahl der auf die Bundesländer entfallenden Wahlkreise ist das Divisorverfahren mit Standardrundung (Sainte-Laguë) vorgeschrieben. Für die Bundestagswahl 2025 verteilen sich die Wahlkreise auf die Bundesländer wie folgt:

Bundesland Fortlaufende
Wahlkreisnummern
Zahl der
Wahlkreise
Schleswig-Holstein Wahlkreise 1 bis 11 11
Mecklenburg-Vorpommern Wahlkreise 12 bis 17 6
Hamburg Wahlkreise 18 bis 23 6
Niedersachsen Wahlkreise 24 bis 53 30
Bremen Wahlkreise 54 und 55 2
Brandenburg Wahlkreise 56 bis 65 10
Sachsen-Anhalt Wahlkreise 66 bis 73 8
Berlin Wahlkreise 74 bis 85 12
Nordrhein-Westfalen Wahlkreise 86 bis 149 64
Sachsen Wahlkreise 150 bis 165 16
Hessen Wahlkreise 166 bis 187 22
Thüringen Wahlkreise 188 bis 195 8
Rheinland-Pfalz Wahlkreise 196 bis 210 15
Bayern Wahlkreise 211 bis 257 47
Baden-Württemberg Wahlkreise 258 bis 295 38
Saarland Wahlkreise 296 bis 299 4

Wahlkreiseinteilung

Die Bundesrepublik ist seit 2002 in 299 Wahlkreise eingeteilt (zuvor: 328). Die Zahl der deutschen Bevölkerung eines Wahlkreises soll vom Durchschnitt nicht um mehr als 15 Prozent (zuvor: 25) abweichen; beträgt die Abweichung mehr als 25 Prozent (zuvor: 33 1/3), ist zwingend eine Neuabgrenzung vorzunehmen. Ab 2026 wird die Soll-Vorgabe auf 10 Prozent reduziert, die Muss-Vorgabe auf 15 Prozent.

Sperrklausel

Beim Verhältnisausgleich werden nur jene Parteien berücksichtigt, deren Landesliste bundesweit fünf Prozent der gültigen Zweitstimmen (Fünf-Prozent-Hürde) oder deren Bewerber in mindestens drei Wahlkreisen die meisten Erststimmen erhalten haben (Wahlkreisklausel). Die Wahlkreisklausel steht nicht im Bundeswahlgesetz, sondern beruht auf einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die nach § 31 BVerfGG Gesetzeskraft hat. Früher wurde die Wahlkreisklausel „Grundmandatsklausel“ genannt. Dieser Begriff passt aber nicht mehr, da sich bei den Wahlkreissiegen nicht zwingend um Mandate handeln muss. Gewinnt eine Partei die drei Wahlkreise beispielsweise in einem Bundesland, in dem ihr nach den Zweitstimmen nur zwei Sitze zustehen, erhält sie nur zwei der drei Wahlkreissitze; dennoch wird die Ausnahme von der Fünfprozenthürde durch den dritten Wahlkreis trotz Nichtzuteilung aktiviert, so dass die Partei auch in anderen Bundesländern an der Sitzverteilung nach Zweitstimmen teilnimmt.

Die Sperrklausel gilt nicht für Parteien von nationalen Minderheiten (Dänen, Friesen, Sorben/Wenden, Sinti und Roma). Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) trat 2021 erstmals seit 1961 wieder zu einer Bundestagswahl an und errang als Partei der dänischen Minderheit mit 0,12 Prozent der Zweitstimmen einen Sitz.

Sitzzuteilungsverfahren

Die Sitze werden nach dem Divisorverfahren mit Standardrundung (Sainte-Laguë) an die Parteien verteilt. Dasselbe Verfahren gilt für die Unterverteilung an die verbundenen Landeslisten der Parteien.

Sitzverteilung

Wahlkreismandate

In den Wahlkreisen sind die Kandidaten, die die relative Mehrheit der abgegebenen gültigen Erststimmen erzielt haben, nicht mehr automatisch gewählt, sondern nur dann, wenn die zugehörige Landesliste Partei ausreichend Sitze gewonnen hat (Zweitstimmendeckung, s. u.). Es gibt also keine Direktmandate mehr im Sinne von Mandaten, die direkt im Wahlkreis unabhängig von der sonstigen Sitzverteilung vergeben werden.

Ausnahme sind Kandidaten, die nicht von einer Partei aufgestellt wurden. Wenn ein solcher „unabhängiger“ Kandidat die meisten Erststimmen Wahlkreis gewinnt, ist er gewählt. Die Zahl der proportional zu verteilenden Sitze reduziert sich um diese Sitze. Die Kandidaten müssen nur formal unabhängig von einer Partei aufgestellt worden sein, d. h. sie dürfen durchaus einer Partei als Mitglied angehören. Es kann für einen Kandidaten einer Partei sinnvoll sein, als formal unabhängiger Kandidat zu kandidieren, z. B. weil der Partei ein Scheitern an der Sperrklausel droht, um indirekt an unausgeglichene Überhangmandate zu kommen, oder weil dem Kandidaten trotz Mehrheit der Erststimmen der Nichteinzug in den Bundestag droht.

Oberverteilung

Die Sitze an die Parteien erfolgt aufgrund ihrer Zweitstimmen nach dem Divisorverfahren mit Standardrundung (Sainte-Laguë).

Von der Ausgangszahl von 630 Sitzen werden ggf. diejenigen Wahlkreissitze abgezogen, die von Kandidaten errungen wurden, die als parteilose Einzelbewerber kandidiert haben.

Im Folgenden bleiben die Zweitstimmen derjenigen Wähler unberücksichtigt, die ihre Erststimme für einen solchen erfolgreichen Kandidaten abgegeben haben.

Unterverteilung

Bei der Unterverteilung werden die Sitze der Partei (aus der Oberverteilung) nach dem Divisorverfahren mit Standardrundung (Sainte-Laguë) auf ihre Landeslisten verteilt.

Von der so ermittelten Sitzzahl, die einer Partei in einem Bundesland zusteht, erhalten zuerst die Wahlkreiskandidaten, die eine Mehrheit im Wahlkreis erungen haben einen Sitz. Sollten eine Partei in einem Land mehr solche Wahlkreiskandidaten (Wahlkreiserste) haben als der Landesliste Sitze zustehen, gehen die Sitze an die Kandidaten in der Reihenfolge des größten Erststimmenanteils (d. h. der Zahl der Erststimmen des Bewerbers geteilt durch die Gesamtzahl der gültigen Erststimmen in diesem Wahlkreis). Stehen einer Partei dann noch weitere Sitze zu, so werden diese aus der Landesliste der Partei in der dort festgelegten Reihenfolge besetzt, wobei erfolgreiche Wahlkreiskandidaten unberücksichtigt bleiben.

Die Wahlkreisersten werden damit auf der Landeslisten in der Reihenfolge des größten Erststimmenanteils nach vorne gezogen.

Durch dieses Prinzip der Zweitstimmendeckung erhalten die Wahlkreiskandidaten der Parteien ihren Sitz durch die Unterverteilung der Parteisitze und nicht mehr direkt durch den Erfolg im Wahlkreis (d. h es gibt keine Direktmandate mehr für Parteikandidaten). Damit steht erst mit dem bundesweiten Gesamtergebnis fest, wer einen Sitz im Wahlkreis erhält.

Überhang- und Ausgleichsmandate

Es gibt formal keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr.

Als Überhangmandate kann man allenfalls Direktmandate formal unabhängiger, aber von einer Partei unterstützter Kandidaten sehen. Die Zweitstimmen der Wähler solcher erfolgreicher Kandidaten werden wohl bei Ober- und Unterverteilung nicht berücksichtigt, eine vollständige Gleichbehandlung kann durch die Nichtberücksichtigung jedoch nicht hergestellt werden. In der Regel werden Wahlkreissitze mit deutlich weniger als fünfzig Prozent der Erststimmen errungen, so dass weniger Zweitstimmen unberücksichtigt bleiben als für reguläre Parteisitze aufgebracht werden müssen.

Listenerschöpfung

Wenn eine Landesliste so wenige Kandidaten aufweist, dass sie nicht alle ihr zustehenden Sitze besetzen kann, bleiben diese Sitze unbesetzt.

Mehrheitsklausel

Erhält bei der Sitzverteilung eine Partei mit mehr als der Hälfte der Gesamtzahl der Zweitstimmen aller Parteien, die nicht unter die Sperrklausel fallen, nicht mehr als die Hälfte der Sitze, werden ihr weitere Sitze zugeteilt, bis auf sie ein Sitz mehr als die Hälfte der Sitze entfällt. Die Gesamtzahl der Sitz erhöht sich um die Unterschiedszahl. Zur Vermeidung negativen Stimmgewichts legte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2012 (Rdnr. 157) die gleichlautende Mehrheitsklausel des damals geltenden Wahlrechts so aus, dass der Begriff „Hälfte“ immer auf die ursprüngliche Gesamtsitzzahl vor ihrer Erhöhung durch die weiteren Sitze bezogen wird. Erhält die Mehrheitspartei also zunächst nur 314 der 630 Sitze, würden ihr demnach durch die Mehrheitsklausel (nur) zwei weitere Sitze zugeteilt, weil 316 „ein Sitz mehr als die Hälfte“ von 630 ist. Dass die Mehrheitspartei dann nach der (einmaligen) Anwendung der Mehrheitsklausel mit 316 von 632 Sitzen auch weiterhin keine Mehrheit der Sitze innehätte, wäre nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Kauf zu nehmen.


von Martin Fehndrich, Wilko Zicht und Matthias Cantow (07.01.2000, letzte Aktualisierung: 11.03.2025, letzte Aktualisierung der Links: 27.12.2024)