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Wiege

Aus Wiktionary, dem freien Wörterbuch
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Dieser Eintrag war in der 34. Woche
des Jahres 2020 das Wort der Woche.
Singular Plural
Nominativ die Wiege die Wiegen
Genitiv der Wiege der Wiegen
Dativ der Wiege den Wiegen
Akkusativ die Wiege die Wiegen
[1] Hölzerne Wiege aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts
[1] Hölzerne Wiege Heinrichs V.; Aufnahme von 1912
[1] Handkolorierte Gravur einer traditionellen Wiege der Hindus; 1820
[1] Moderne, an einer Stahlfeder aufgehängte Wiege
[4] Mezzaluna-Wiege
[4] Mezzotintoführung mithilfe einer Wiege

Worttrennung:

Wie·ge, Plural: Wie·gen

Aussprache:

IPA: [ˈviːɡə]
Hörbeispiele: Lautsprecherbild Wiege (Info)
Reime: -iːɡə

Bedeutungen:

[1] entweder mit zwei abgerundeten Kufen beziehungsweise Schaukelbrettern versehenes beziehungsweise in ein spezielles Gestell eingehängtes oder frei von der Decke hängendes kastenförmiges Bettchen für Säuglinge, mithilfe dessen der Säugling (in Längs- oder Querrichtung) gewiegt beziehungsweise geschaukelt werden kann
[2] übertragen: zu [1]; Plural selten; gehoben: Ort, an dem etwas entsteht, sich entwickelt; Ort, von dem etwas ausgeht, entspringt
[3] Gymnastik, Sport: Übung, bei der der Oberkörper und die Beine bäuchlings angehoben werden und anschließend der gesamte Körper schaukelnd auf- und ab bewegt wird
[4] Schabkunsttechnik, Tiefdrucktechnik: Instrument mit gebogener und gezähnter Schneide aus Stahl, das, beim Kupferstich oder ähnlicher Tiefdruckverfahren, zum Aufrauen der Platte benutzt wird

Herkunft:

Bei dem Wort handelt es sich um ein seit dem 11. Jahrhundert[1][2] bezeugtes Erbwort, dessen althochdeutsche Formen wiga → goh[1][2], wega → goh[1][2] und (in einer Handschrift aus dem 12. Jahrhundert[2]) wiega → goh[1][2] lauteten. Die daraus hervorgegangenen mittelhochdeutschen Formen waren wiege → gmh[1][2] sowie (mitteldeutsches[2]) wige → gmh[1][2], die sich vergleichen lassen mit mittelniederdeutsch wēge → gml[1][2], mittelniederländisch wiege → dum[1] und wieghe → gml[2] sowie mit altfriesisch widze → ofs[1] und wigge → ofs[1]. All diese Formen dürften eine auf dem iterativen Charakter des Wortes (‚das sich Bewegende, das Schaukelnde‘) beruhende reduplizierende indoeuropäische Wurzelform *u̯eug̑h- (germanisch *weug-) voraussetzen.[2]
Im Althochdeutschen gab es zudem, neben den oben bereits erwähnten Formen, die für das 9. Jahrhundert[2] bezeugte, ablautende[1][2] und gleichbedeutende[2] Form waga → goh[1][2] (vergleiche mit expressiver Konsonantendopplung[2] beziehungsweise Gemination[1] altnordisch vagga → non[1][2]), deren mittelhochdeutsche Form wage → gmh[2] lautete. Diese Formen knüpfen wohl[1] an die unter »bewegen«[1][2] angeführte (nicht belegte, aber rekonstruierte) indoeuropäische Wurzel *u̯eg̑h-bewegen, ziehen, fahren[2] an.

Synonyme:

[1] umgangssprachlich: Baba, Eia/Eija/Heia
[1] südostdeutsch: bairisch, österreichisch Hutsche/Hutschn
[4] Granierstahl, Wiegeeisen, Wiegestahl

Sinnverwandte Wörter:

[1] Babybett, Kinderbettchen
[2] Anfang, Ausgangspunkt, Beginn, Herd, Quelle, Ursprung, Ursprungsort, Wurzel

Gegenwörter:

[1] Bahre

Oberbegriffe:

[1] Bett
[2] Ort
[3] Übung
[4] Instrument, Werkzeug

Unterbegriffe:

[1] Federwiege
[2] Sternenwiege

Beispiele:

[1] Leg den Kleinen in die Wiege!
[1] „Glücklicher Säugling! Dir ist ein unendlicher Raum noch die Wiege.
Werde Mann, und dir wird eng die unendliche Welt.“[3]
[1] „Armuth sitzt an ihrer Wiege und schaukelt sie groß, und diese magere Amme bleibt ihre treue Lebensgefährtinn.“[4]
[1] „Das ältere Kind äußert unverhohlene Feindseligkeit gegen den Konkurrenten, die sich in unliebenswürdiger Beurteilung desselben, in Wünschen, daß »der Storch ihn wieder mitnehmen möge«, und dergleichen Luft macht und gelegentlich selbst zu kleinen Attentaten auf das hilflos in der Wiege Daliegende führt.“[5]
[1] „Auf Erden war nur ein winziges Licht,
das in dem samtenen Dunkel dicht
an der Wiege des Kindes wachte
und an sein ärmliches Dasein dachte,
als die Stimme des Sturmes klang.“[6]
[1] „Denn kaum stand die Wiege still, schrie Theophil wie am Spieß.“[7]
[1] „Nicht das ununterbrochene, bald stärkere, bald schwächere Maschinengewehrfeuer aus dem Brücktal weckte die Bäuerin um Mitternacht, sondern das Zucken der Wiege, die das Kind mit seinen stoßweisen, noch schwachen Schreien erschütterte.“[8]
[1] „In einer der Behausungen, Erde aufgeschüttet um verkohlte Balken, kauerte ein Bauer mit Frau; sie wirkten uralt, aber das war wohl das Leid und die Not, denn von einem der Balken hing eine Wiege mit einem Säugling darin, das Gesichtlein faltig, die Augen vereitert.“[9]
[2] Afrika gilt als Wiege der Menschheit.
[2] „Das Haus bleibe. Es sei eine Wiege der Kunst.“[10]
[2] „»Wir stehen hier«, sagte sie, »auch du, Karl Radek, an der Wiege einer neuen Partei.[…]«“[11]
[2] „Als sich 1989 die guten Feen des internationalen Kapitalismus über die Wiege der togolesischen Wirtschaft beugten, schien die Situation dieses kleinen Landes mit mehr als 3,5 Millionen Einwohnern, von denen 80 Prozent auf dem Land leben, sehr hoffnungsvoll zu sein.“[12]
[2] „Als ‚eine der Wiegen der Revolution‘ wird die Ostberliner Gethsemanekirche apostrophiert.“[13]
[2] „Die Tropen stellen deshalb laut den Wissenschaftern nicht nur einen Hort heutiger Artenvielfalt dar, sondern zugleich auch die Wiege eines wesentlichen Teils der globalen Biodiversität.“[14]
[2] „Denn die Sundarbans sind die Wiege der Cholera.“[15]
[2] „Die Stadt war durch die Selbstverbrennung des Obstverkäufers Mohamed Bouazizi im Dezember 2010 zur Wiege der Jasminrevolution geworden – und damit des Arabischen Frühlings.“[16]
[3] „Nach all diesen Übungen soll schließlich ohne Schwierigkeit auszuführen sein: die ‚Wiege‘ (Schaukelbewegung mit gestreckten Armen und Beinen in Bauchlage), Aufschwingen zum Sitzen, Zusammenklappen von Armen und Beinen mit gestreckten Knien aus Rückenlage, freies Sitzen mit hängenden Unterschenkel, knien, kriechen.“[17]
[4] „Erst wird die Kupferplatte mittels einer sogenannten Wiege (Granierstahl), die einem kleinen Wiegemesser mit gezahnter Schneide ähnelt, völlig und gleichmäßig aufgerauht.“[18]
[4] „Die Kupferplatte wir erst mit der sog. Wiege, auch Granierstahl genannt, gleichmäßig aufgerauht (‚gewiegt‘).“[19]
[4] „Er rauht überhaupt mit der Wiege eine Platte niemals so gleichmäßig auf, daß eine geschlossene samtige Fläche entsteht.“[20]

Redewendungen:

[1] jemandem in die Wiege gelegt worden sein
[1] jemandem nicht an der Wiege gesungen worden sein
[1] von der Wiege an
  • gehoben:
[1] jemandes Wiege stand irgendwo/jemandes Wiege steht irgendwo
[1] von der Wiege bis zur Bahre
  • umgangssprachlich:
[1] an der Wiege sehen, wenn das Kind kacken will

Charakteristische Wortkombinationen:

[1] ein Kind in die Wiege legen; ein Kind in der Wiege schaukeln
[2] die Wiege der Kultur, Kunst, Menschheit, Zivilisation

Wortbildungen:

[1] Wiegebrett, Wiegenbrett, Wiegenfest, Wiegenlied
[2] Wiegestahl

Übersetzungen

[Bearbeiten]
[1, 3, 4] Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache. In zehn Bänden. 3., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. 10. Band Vide–Zz, Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 1999, ISBN 3-411-04833-6, DNB 965409295, Seite 4518.
[1, 3, 4] Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Deutsches Universalwörterbuch. 6. Auflage. Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2007, ISBN 978-3-411-05506-7, Seite 1930.
[1] Renate Wahrig-Burfeind: Brockhaus Wahrig Deutsches Wörterbuch. Mit einem Lexikon der Sprachlehre. In: Digitale Bibliothek. 9., vollständig neu bearbeitete und aktualisierte Auflage. wissenmedia in der inmedia ONE GmbH, Gütersloh/München 2012, ISBN 978-3-577-07595-4 (CD-ROM-Ausgabe), Stichwort »Wiege«.
[1, 3, 4] Duden online „Wiege
[1] Großes Wörterbuch der deutschen Sprache „Wiege“ auf wissen.de
[1] wissen.de – Lexikon „Wiege
[1] Wikipedia-Artikel „Wiege
[1, 2] Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache „Wiege
[1, 2] The Free Dictionary „Wiege
[*] Uni Leipzig: Wortschatz-PortalWiege
[*] Online-Wortschatz-Informationssystem Deutsch „Wiege
[1, 2] Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. 16 Bände in 32 Teilbänden. Leipzig 1854–1961 „Wiege

Quellen:

  1. 1,00 1,01 1,02 1,03 1,04 1,05 1,06 1,07 1,08 1,09 1,10 1,11 1,12 1,13 1,14 1,15 Friedrich Kluge, bearbeitet von Elmar Seebold: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 24., durchgesehene und erweiterte Auflage. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2001, ISBN 978-3-11-017473-1, DNB 965096742, Seite 988.
  2. 2,00 2,01 2,02 2,03 2,04 2,05 2,06 2,07 2,08 2,09 2,10 2,11 2,12 2,13 2,14 2,15 2,16 2,17 2,18 2,19 Wolfgang Pfeifer: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, digitalisierte und aufbereitete Ausgabe basierend auf der 2., im Akademie-Verlag 1993 erschienenen Auflage. Stichwort „Wiege
  3. Friedrich Schiller: Das Kind in der Wiege. In: Derselbe (Herausgeber): Musen-Almanach für das Jahr 1796. 1. Auflage. Bei dem Hofbuchhändler Michaelis, Neustrelitz 1796, Seite 4 (Zitiert nach Wikisource-Quellentext „Das Kind in der Wiege“).
  4. Heinrich Heine: Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland. In: Derselbe (Herausgeber): Der Salon. Zweiter Band, Hoffmann und Campe, Hamburg 1834, Seite 227 (Zitiert nach Google Books).
  5. Sigmund Freud: Über infantile Sexualtheorien. [1908]. In: Alexander Mitscherlich, Angela Richards, James Strachey (Herausgeber): Sigmund Freud. Studienausgabe. Limitierte Sonderausgabe. Band V: Sexualleben, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-596-50360-4, Seite 173.
  6. Rainer Maria Rilke: Sturmnacht. In: Derselbe (Herausgeber): Gesammelte Werke. Band II: Gedichte. Zweiter Teil: Das Bucher der Bilder – Das Stundenbuch – Das Marienleben – Requiem, Insel-Verlag, Leipzig 1927, Seite 67 (Zitiert nach Digitalisat des ALO).
  7. Christa Wolf, Gerhard Wolf: Wir, unsere Zeit. Prosa aus 10 Jahren. Aufbau-Verlag, Berlin 1959, Seite 115 (Zitiert nach Google Books).
  8. Anna Seghers: Der Weg durch den Februar. Roman. Erstausgabe, 5. Auflage. Luchterhand Literaturverlag, Darmstadt 1988, ISBN 3-630-61318-7, Seite 151 (Zitiert nach Google Books).
  9. Stefan Heym: Radek. Roman. 1. Auflage. C. Bertelsmann, München 1995, ISBN 3-570-00315-9, Seite 227 (Zitiert nach Google Books).
  10. Adolf Muschg: Gegenzauber. Roman. Verlag Die Arche, Zürich 1967, Seite 281 (Zitiert nach Google Books).
  11. Stefan Heym: Radek. Roman. 1. Auflage. C. Bertelsmann, München 1995, ISBN 3-570-00315-9, Seite 239 (Zitiert nach Google Books).
  12. Christian de Brie: Im Dschungel des Weltmarkts verkommen die Staaten. FREIHANDELSZONEN IN AFRIKA: ISOLIERTE TERRITORIEN DER GLOBALISIERUNG. In: Le Monde diplomatique Online. Deutschsprachige Ausgabe. Nummer 4875, 15. März 1996 (übersetzt von Christiane Kayser), ISSN 1434-2561, Seite 16–17 (URL, abgerufen am 3. August 2013).
  13. Dieter Herberg, Doris Steffens, Elke Tellenbach: Schlüsselwörter der Wendezeit. Wörter-Buch zum öffentlichen Sprachgebrauch 1989/90. In: Institut für Deutsche Sprache (Herausgeber): Schriften des Instituts für Deutsche Sprache. 6. Band, Walter de Gruyter, Berlin/New York 1997, ISBN 3-11-015398-X, ISSN 1861-566X, Seite 26 (Zitiert nach Google Books).
  14. Christoph Wehrli: Die Tropen als Wiege der Biodiversität. Untersuchungen an Muschelfossilien. In: NZZOnline. 18. Oktober 2006, ISSN 0376-6829 (URL, abgerufen am 3. August 2013).
  15. Klaus Jacob: Cholera: Die Wiege der Seuche. In: Zeit Online. Nummer 26, 24. Juni 2011, ISSN 0044-2070 (URL, abgerufen am 3. August 2013).
  16. Alfred Hackensberger: Aufstände in Tunesien: Zwischen Armut und Religion. In: WOZ Online. Nummer 07/2013, 14. Februar 2013 (URL, abgerufen am 3. August 2013).
  17. Martha Scharll; Geleitwort von G. Hohmann: Orthopädische Krankengymnastik. Lexikon und Kompendium. 3., überarbeitete Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1965, Seite 78 (Zitiert nach Google Books).
  18. Hans Wolfgang Singer: Der Kupferstich. 2. Auflage. Velhagen & Klasing, Bielefeld/Leipzig 1912, Seite 80 (Zitiert nach Google Books).
  19. Heinrich Lützeler: Führer zur Kunst. Mit 188 Bildern im Text. Herder, Freiburg im Breisgau/Basel/Wien 1963 (©1938), Seite 305 (Zitiert nach Google Books).
  20. Alfred Hrdlička; unter Mitarbeit und mit Beiträgen von Elias Canetti et al.: Graphik. Propyläen, Berlin 1973, ISBN 3-549-05894-2, Seite 55 (Zitiert nach Google Books).

Ähnliche Wörter (Deutsch):

ähnlich geschrieben und/oder ausgesprochen: Biege, Liege, Riege, Wiese, Ziege
Anagramme: ewige