OHB

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 25. November 2021 um 12:54 Uhr durch Aka (Diskussion | Beiträge) (Tippfehler entfernt, https). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
OHB SE

Logo
Rechtsform Societas Europaea
ISIN DE0005936124
Gründung 1958 (Ursprung)
1985 (aktiv in der Raumfahrt)
Sitz Bremen, Deutschland Deutschland
Leitung
Mitarbeiterzahl 2769 (Ende 2018)[1]
Umsatz 976 Mio. Euro (2018)[1]
Branche Luft- und Raumfahrttechnik
Website www.ohb.de
Stand: 31. Dezember 2018
OHB Gebäude 1

Die OHB SE mit Sitz in Bremen ist eine börsennotierte Technologiegruppe mit Aktivitäten in der Raum- und Luftfahrt. Die Geschäftsfelder des Unternehmens sind Telematik & Satellit, Raumfahrt & Sicherheit, Nutzlasten & Wissenschaft, Internationale Raumfahrt sowie Raumtransport & Aerospace Strukturen. Die Gründer und Haupteigentümer waren Manfred Fuchs und seine Frau Christa.

Geschichte

Anfang 1982 übernahm Christa Fuchs das kleine Unternehmen Otto Hydraulik Bremen GmbH, kurz OHB. Die 1958 gegründete Firma aus Hemelingen hatte zu dem Zeitpunkt fünf Mitarbeiter und beschäftigte sich mit dem Bau und der Reparatur von elektrischen und hydraulischen Schiffssystemen für die Bundeswehr. Zusammen mit MBB-ERNO als Projektführer und der Werft Sarstedt gewann OHB 1984 den Auftrag für den Bau des Typschiffes MPOSS[2] (englisch Multi-Purpose Oil Skimming System).

Manfred Fuchs, der damals bei der MBB-ERNO Direktor für Raumfahrt war, hatte die Idee, auch mit OHB in das Raumfahrtgeschäft einzusteigen. 1985 startete das erste Raumfahrtprojekt bei OHB. Für das Raumlabor Spacelab entwickelte OHB eine raumfahrttaugliche Zentrifuge für Untersuchungen von Blut- und Urinproben. Im gleichen Jahr stieg Manfred Fuchs in das Unternehmen seiner Frau ein. Der erste Auftrag war das Projekt MIKROBA (Mikrogravitation mit Ballon), ein vom Bundesforschungsministerium und der DFVLR gefördertes Projekt, das Versuche im freien Fall beinhaltete. Ein weiteres Projekt in der Anfangszeit war u. a. COSIMA, eine Anlage zur Herstellung von Proteinkristallen, die 1988 auf der chinesischen Trägerrakete Langer Marsch 2 ins All flog.

Mit dem wachsenden Mitarbeiterstab wurden die Räume am Hemelinger Hafendamm zu klein. In der Nähe der Universität Bremen baute OHB ein neues Hauptquartier in der Universitätsallee 27, das im Oktober 1988 eröffnet wurde. Die Vision von Manfred Fuchs war, kleinere und damit günstigere Satelliten zu entwickeln, dies war auch ein Grund für die Umbenennung der Firma in Orbital- und Hydrotechnologie Bremen-System GmbH im Jahr 1991. Gemeinsam mit dem Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen entwickelte OHB mit BremSat einen der ersten deutschen Kleinsatelliten. Am 3. Februar 1994 startete er an Bord der Discovery in den Orbit.

Ein weiterer Meilenstein war die Satellitenserie SAFIR (Satellite for Information Relay) zur Positionsbestimmung und Objektverfolgung, die auch den Einstieg von OHB in den Telekommunikationsmarkt bedeutete. Bereits 1993 wurde dafür die OHB Teledata GmbH gegründet, die sich auf Telematiksysteme spezialisierte. 1993 entstand für den Bau und die Integration der Satelliten die COLUMBUS-Integrationshalle auf dem OHB-Gelände. Weitere Großprojekte, an denen OHB in den nächsten Jahren beteiligt war, waren u. a. Envisat, CHAMP und GRACE. Mit dem Gewinn weiterer Großprojekte wie ABRIXAS und der wachsenden Mitarbeiterzahl auf mittlerweile 170 wurde der Firmensitz bald zu klein, direkt in der Nachbarschaft der bestehenden Gebäude wurde 1995 das neue Hauptquartier in der Universitätsallee 29 eingeweiht. 2001 wurden ein weiteres Gebäude in der Karl-Ferdinand-Braun-Straße und eine moderne Reinraumhalle gebaut.

Ehemaliges Logo der OHB Technology AG

Bereits 1995 begann OHB, sich international auszurichten. So beteiligte man sich in 2009 an der italienischen Raumfahrtfirma Carlo Gavazzi Space[3] aus Mailand (gegründet 1981) und gründete gemeinsam mit der russischen Firma AKO Polyot das Joint Venture COSMOS International, das Startleistungen für Satelliten anbietet (Kosmos-Trägerrakete). 1998 wurde das Unternehmen Orbcomm Deutschland gegründet. Seit 2000 firmiert OHB unter dem Namen Orbitale Hochtechnologie Bremen-System GmbH. 2001 wurden die OHB-System GmbH und die OHB Teledata in eine Aktiengesellschaft (AG) umgewandelt. 2002 wurden OHB-System und OHB Teledata zur OHB Technology AG zusammengeführt. In den nächsten Jahren folgten weitere Firmenbeteiligungen und Gründungen verschiedener Tochterunternehmen. Unter anderem erwarb man 2005 die MAN-Tochterfirma MAN Technologie AG (heute MT Aerospace)[4]. 2008 scheiterte der Versuch, die drei deutschen Airbus-Werke in Nordenham, Varel und Augsburg zu übernehmen.[5] Geplant war nach einem Bericht des Manager Magazins die Entstehung eines neuen börsennotierten Luftfahrtkonzerns. Unter Führung der OHB sollte ein Unternehmen mit 6700 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund einer Milliarde Euro entstehen.[6]

OHB übernahm in der Folgezeit die Führung in der Entwicklung des Großprojekts SAR-Lupe, einem Satellitenaufklärungssystem im Auftrag der Bundeswehr und entwickelte das modulare Kleinsatellitensystem Small GEO. Außerdem wurde das Unternehmen als Ausrüster für die Internationale Raumstation (ISS) und für das europäische Stationsmodul Columbus. Weitere Großprojekte in den Folgejahren sind der Kommunikationssatellit Hispasat und der Wettersatellit Meteosat.[7][8]

Im Januar 2010 erhielt das Unternehmen einen Auftrag über den Bau von 14 Satelliten für das Galileo-System. Der Auftragswert beträgt 566 Millionen Euro.[9] Ein Jahr später wurde Berry Smutny, der Vorstandsvorsitzende von OHB-System AG entlassen, nachdem WikiLeaks Einzelheiten aus einem Gespräch Smutnys mit amerikanischen Botschaftsangehörigen veröffentlicht hatte. Smutny soll Galileo als „dumme Idee“ bezeichnet haben, mit der das Geld der europäischen Steuerzahler verschwendet werde.[10][11]

Im März 2011 beschloss die Hauptversammlung die Umfirmierung der OHB Technology AG in OHB AG. Die Abteilungen Telematik, Raumfahrt & Sicherheit, Satellitendienste sowie Wissenschaft und Nutzlasten wurden zu den zwei Unternehmensbereichen Space Systems und Aerospace + Industrial Products zusammengefasst.

Am 1. September 2014 fusionierten die Bremer OHB System AG und die Münchener Kayser-Threde GmbH zur OHB System AG mit Standorten in Bremen und München.[12]

Seit dem 26. März 2015 ist die OHB als europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea) im Handelsregister eingetragen.[13]

Im Februar 2021 ging OHB gegen die Vergabe neuer Galileo-Satteliten durch die Europäische Kommission an die Firma Thales Group und Airbus vor. OHB unterstellte beiden Firmen durch ehemalige leitende OHB-Mitarbeiter an Informationen des Angebotes durch OHB gekommen zu sein[14].

Aktie

Am 13. März 2001 fand der Börsengang der OHB Teledata am Neuen Markt der Deutschen Börse statt. Ausgegeben wurden nennwertlose Inhaber-Stammaktien zum Preis von 10,50 Euro.[15] Die Gesellschaft gehört zu den wenigen noch existierenden Unternehmen des 1997 eingerichteten und 2003 wieder geschlossenen Neuen Marktes.[16] Den historischen Tiefstand verzeichnete die Aktie am 20. September 2001 mit 2,33 Euro.[17] Für die Geschäftsjahre 2015 bis 2017 wurde den Aktionären jeweils eine Dividende von 0,40 Euro je Aktie gezahlt.[18] Mehrheitsaktionär ist die Familie Fuchs mit rund 70 %, der Streubesitz liegt bei rund 30 %.[19] Am 9. Januar 2018 erreichte der Aktienkurs einen historischen Höchststand mit 49,70 Euro.[17]

Unternehmensstruktur und Produkte

Abteilungen der OHB SE

Unter dem Dach Space Systems werden die Geschäftsbereiche Satelliten (Galileo, SmallGEO etc.), Bemannte Raumfahrt, Exploration, Sicherheit und Aufklärung (SAR-Lupe, ARDS) und Industrielle Anwendungen zusammengefasst. Dem zweiten Unternehmensbereich Aerospace + Industrial Products sind die Themen Raumfahrtprodukte, Luftfahrtprodukte, Antennen & Produkte und Telematik untergeordnet.

Beteiligungen und Tochterfirmen der Fuchs Gruppe

Space Systems

  • OHB System AG, Bremen (100 %)
  • Kayser-Threde GmbH, München (100 %, 2007)
  • OHB Italia SpA, Mailand (100 %; Beteiligung 1995, Kauf 2009, firmierte bis Dezember 2016 unter CGS SpA Compagnia Generale per lo Spazio)
  • Luxspace Sàrl, Luxemburg (100 %)
  • Antwerp Space N.V., Antwerpen (100 %)
  • OHB Sweden AB (100 %)

Aerospace + Industrial Products

  • MT Aerospace, Augsburg (70 %, 2005)
  • OHB Teledata GmbH, Bremen (100 %, 1993)
  • OHB Digital Services GmbH (bis 2017 megatel GmbH),[20] Bremen (74,9 %, 2001)
  • Telematic Solutions S.p.A, Mailand (100 %, 2001)

Projekte

OHB-Satellit

Zu den größten Projekten von OHB gehören SAR-Lupe, die Kommunikationssatelliten Plattform SmallGEO sowie 22 Satelliten des europäischen Galileo-Navigationssystems. Weitere Projekte und Beteiligungen sind oder waren:

Gemeinsam mit dem israelischen Raumfahrtkonzern IAI kündigte OHB im Jahr 2020 den Lunar Surface Access Service (LSAS, „Mondoberflächenzugangsdienst“) an, ein Raumfahrtprogramm für unbemannte Mondlandungen. IAI entwickelt dafür ein Mondlandgerät auf Basis des Landers Beresheet, während OHB für die Handhabung der Nutzlasten zuständig ist. Ab 2022[veraltet] möchten die beiden Unternehmen Kundenaufträge für Transporte zur Mondoberfläche ausführen, beispielsweise für Forschungsprojekte der ESA.[23]

Stiftungsprofessur

Im Juli 2012 richtete die Universität Bremen die Christa-und-Manfred-Fuchs-Stiftungsprofessur für Raumfahrttechnologie / System Enabling Technologies ein, die nach den beiden Gründern der OHB AG benannt ist. Die gestiftete Professorenstelle ist auf einen Zeitraum von zehn Jahren ausgelegt. Die Kosten werden jeweils zur Hälfte von der OHB AG und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft getragen.[24] Die Einrichtung dieser Professur war wegen der Zivilklausel der Universität Bremen umstritten, die die Teilnahme an militärischen Projekten verbietet. Die OHB AG wies darauf hin, dass ihr Anteil an militärischen Projekten bei unter 5 % liegen würde. Daher verstehe sie sich auch nicht als Rüstungsunternehmen.[25]

Literatur

Commons: OHB – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Geschäftsbericht 2018. (PDF) Abgerufen am 11. September 2019.
  2. Mposs. Bild und techn. Daten. Bugsier-, Reederei- und Bergungsgesellschaft, archiviert vom Original am 6. Januar 2019; abgerufen am 6. Januar 2019.
  3. Markus Horntrich: OHB Technology kauft Carlo Gavazzi Space. In: deraktionaer.de. Der Aktionär, 11. August 2009, abgerufen am 12. Dezember 2016.
  4. OHB – Formale Übernahme der MT Aerospace AG
  5. Verkauf von drei Airbus-Werken an Bremer OHB gescheitert., Der Tagesspiegel, 27. März 2008
  6. Manager Magazin: Börsenpläne für Airbus-Werke. 8. Februar 2008.
  7. OHB und Thales Alenia Space unterzeichnen Verträge für Meteosat Third Generation (MTG) über rund 750 Millionen Euro (Memento vom 1. Juli 2012 im Internet Archive)
  8. DLR – SmallGEO – Hispasat erster Kunde
  9. OHB und SSTL für den Bau von 14 Galileo-Navigationssatelliten ausgewählt. Abgerufen am 10. Januar 2010
  10. „Galileo ist eine dumme Idee“. Die Veröffentlichung von Wikileaks bringt einen deutschen Manager zu Fall. Beim Bremer Satellitenbauer OHB ist eilige Schadensbegrenzung angesagt. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 19. Januar 2011, abgerufen am 4. März 2015.
  11. 22.10.2009: OHB-System CEO calls Galileo a waste of German tax payer money. In: Aftenposten.no. 13. Januar 2011, abgerufen am 19. Januar 2011 (Veröffentlichung einer Botschaftsdepesche).
  12. Fusion von OHB System AG und Erwin Kayser-Threde GmbH perfekt. OHB System AG, 1. September 2014, abgerufen am 13. November 2014.
  13. OHB AG wird OHB SE. OHB-Pressemitteilung, 26. März 2015, abgerufen am 25. Mai 2015.
  14. Christian Müßgens, Hamburg: Navigationssystem Galileo: OHB wirft Airbus im Satelliten-Streit fragwürdige Methoden vor. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 25. November 2021]).
  15. OHB-Aktie. Abgerufen am 22. Januar 2019.
  16. Christian W. Röhl: 20 Jahre Neuer Markt: Einige haben überlebt... und zahlen Dividende. In: DividendenAdel. 9. März 2017, abgerufen am 22. Januar 2019.
  17. a b Kurstool. ohb.de, abgerufen am 22. Januar 2019.
  18. WKN 593612 OHB Aktie - Consorsbank. Abgerufen am 22. Januar 2019.
  19. Aktionärsstruktur. Abgerufen am 22. Januar 2019.
  20. OHB-Tochter megatel GmbH wird zur OHB Digital Services GmbH - OHB SE. 2. August 2017, abgerufen am 18. März 2019.
  21. DLR – Europäisches Datenrelaissatelliten-Netz EDRS wird Wirklichkeit
  22. OHB to build ESA’s Hera asteroid mission spacenews.com, abgerufen am 29. September 2020
  23. OHB and IAI plan commercial lunar lander mission in late 2022. Spacenews, 13. Mai 2020.
  24. Christa und Manfred Fuchs-Stiftungsprofessur für Raumfahrttechnologie/System Enabling Technologies. Universität Bremen, abgerufen am 7. Januar 2019.
  25. Umstrittene Stiftungsprofessur in Bremen besetzt. Deutschlandfunk, 14. August 2012, abgerufen am 13. November 2014.

Koordinaten: 53° 6′ 1″ N, 8° 51′ 25″ O