Erdstall Ratgöbluckn
Der Erdstall Ratgöbluckn in Perg ist der größte gefahrlos begehbare Erdstall im Mühlviertel.[1]
Er befindet sich in der Stadtgemeinde Perg am Rand des Machlands im Bezirk Perg in Oberösterreich und steht als schützenswertes Kulturgut unter Denkmalschutz.
Beschreibung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Erdstall befindet sich in dem 1881 vom Verschönerungsverein als Spazierweg angelegten, nach der Gemahlin Erzherzog Rudolfs, Prinzessin Stephanie von Belgien, benannten Stephaniehain. Es handelt sich in der äußeren Hälfte um ein in Sandstein und in der inneren Hälfte in Flins (verwitterter Granit) gehauenes, unterirdisches, stark verzweigtes Gänge- und Kammernsystem, das zu einem unbekannten Zeitpunkt zu nicht näher bestimmbaren Zwecken angelegt und im Verlauf der Jahrhunderte um mehrere Kammern im vorderen Teil erweitert wurde. 1905 veranlasste der damalige Kommunevorstand von Perg, Michael Fries, dass der Erdstall durch Stützen und Mauerungen in den Gängen vor dem Einsturz bewahrt wurde.
Die Anlage wurde 1944 im Auftrag des Landrates Gustav Brachmann im Rahmen eines Schulprojektes unter der Leitung von Hauptschuldirektor Karl Stummer von Schülern der 4. Klasse Hauptschule Perg untersucht, vermessen und in einem Plan festgehalten:[2]
Demnach hat das größtenteils ausreichend hohe und leicht begehbare Gängenetz eine Gesamtlänge von 106 Metern und besteht aus 22 Gangstücken beziehungsweise Röhren, die 8 Kammern oder breitere Räume miteinander verbinden, in denen sich 2 Sitz- und 19 Lichtnischen befinden. Die Gänge sind stark ansteigend angelegt, sodass zwischen Eingang und höchstem Punkt ein Niveauunterschied von 5,4 Metern besteht. Bei dieser gründlichen Erforschung ergaben sich keine Anhaltspunkte, dass der Erdstall, wie in einigen älteren Schriften angeführt, über Verbindungsgänge zu einer Burg der Herren von Perg auf dem Dollberg, zum Markt Perg oder zu der mehrere Kilometer von Perg entfernt gelegenen Burg Mitterberg verfügte. Die üppigen Dimensionen lassen Buchautor Robert Bouchal vielmehr vermuten, dass die Ratgöbluckn in der noch erhaltenen Ausbaustufe eher eine mittelalterliche oder neuzeitliche Kelleranlage war.
Denkmalgeschützte museale Freilichtanlage
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1945 erfolgte auf Veranlassung des Marktgemeindeamtes der Verschluss des Erdstalls durch eine Mauer. 1973 fasste der Heimat- und Museumsverein Perg den Beschluss, den Erdstall wieder zugänglich zu machen. 1975 wurde ein neuer Eingang freigelegt, mit Granitsteinmauern abgesichert und mit einem schmiedeeisernen Tor abgeschlossen.[3] Seit 1976 ist der Erdstall wieder für die Allgemeinheit zugänglich. Erst 2002 wurde im Erdstall eine elektrische Beleuchtung installiert, da sich die zuvor bei Führungen verwendeten Fackeln nachteilig für den Erhaltungszustand ausgewirkt haben.[4] Im selben Jahr bildete der Erdstall die Kulisse für einen im Auftrag des ZDF gedrehten dreiteiligen Film über den Dreißigjährigen Krieg.[5] 2011 drehte die Theatergruppe Mining einen Kurzfilm, der bei der Begleitausstellung zur Landesausstellung 2012 in einem Verlies gezeigt wurde und seither Teil einer Dauerausstellung ist.[6]
Die zu den Außenanlagen des Heimatmuseums Stadtmuseum Perg zählende Freilichtanlage wurde 2009 im Ensemble mit dem Mühlsteinbruch Scherer und dem Steinbrecherhaus unter Denkmalschutz (Listeneintrag) gestellt. Sie wird im Rahmen des Donauradwegs und des Donausteigs als Sehenswürdigkeit angeführt.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Andreas Lippert (Hrsg.): Reclams Archäologie Führer Österreich und Südtirol 1985 S. 383
- Karl Stummer: Der Erdstall Ratgöbluckn in Perg. In: Institut für oberösterreichische Landeskunde (Hrsg.): Oberösterreichische Heimatblätter. Jahrgang 16, Heft 1, Jänner – März 1962, S. 56ff (ooegeschichte.at [PDF]).
- Rudolf Zach: Der Erdstall Ratgöbluckn in Perg – ein Kulturdenkmal. In: Institut für oberösterreichische Landeskunde (Hrsg.): Oberösterreichische Heimatblätter. Jahrgang 29, Heft 1/2, 1975, S. 101f (ooegeschichte.at [PDF]).
- Rudolf Zach: Der Erdstall Ratgöbluckn. In: Perg im Spiegel der Geschichte. In: Stadtgemeinde Perg (Hrsg.): Perg, Festschrift anlässlich der Stadterhebung 1969. Linz 1969.
- Alexander Schachl: Sehenswertes Perg. In: Perg – Die Stadt mit Herz. In: Unsere Heimat – Der Bezirk Perg. Verein zur Herausgabe eines Bezirksheimatbuches Perg – Gemeinden des Bezirkes Perg (Herausgeber), Linz 1995.
- Wolfgang Lehmann: Erdställe und Erdwohnung. In: Heimatverein Perg, Stadtgemeinde Perg (Hrsg.): Heimatbuch der Stadt Perg 2009. Linz 2009, ISBN 978-3-902598-90-5.
- Robert Bouchal, Josef Weichenberger: Unterirdisches Oberösterreich. Pichler Verlag, Verlagsgruppe Styria, 2015. ISBN 978-3-7012-0179-2. S. 212 (Die Ratgöbluckn in Perg)
- Linzer Tagespost vom 3. April 1904, S. 6: Dollberg - Aus Perg wird uns geschrieben. ANNO. Historische österreichische Zeitungen und Zeitschriften.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Tag des Denkmals - European Heritage Day / 2007 / Oberösterreich. 7. Perg, Erdwohnung und Erdstall. Archiviert vom am 4. April 2009; abgerufen am 24. Juli 2010.
- ↑ Rudolf Zach: Der Erdstall Ratgöbluckn. In: Perg - Festschrift anlässlich der Stadterhebung. 1969, S. 66.
- ↑ Josef Reitinger: Abteilung Urgeschichte und Baiernzeit. In: Jahrbuch des oberösterreichischen Musealvereines. Jahrgang 121. Band/II. Berichte, Linz 1976, S. 61 (zobodat.at [PDF]).
- ↑ Oberösterreichischer Musealverein, Gesellschaft für Landeskunde: Berichte Heimathäuser, Museen. S 52f (zobodat.at [PDF]).
- ↑ Wolfgang Lehmann: Erdställe und Erdwohnung. In: Heimatbuch der Stadt Perg. 2009, S. 198ff.
- ↑ Perger Erdstall ist Kulisse für historischen Film. In: Bezirksrundschau. Nr. 31 vom 4. August 2011, S. 1ff.
Koordinaten: 48° 15′ 9″ N, 14° 38′ 3,6″ O