Leo Hirsch (Schriftsteller)

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Grabstätte auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee, Feld A 6

Jizchak Arjei Leo Hirsch (geboren 18. Januar 1903 in Posen; gestorben 6. Januar 1943 in Berlin)[1] war ein deutscher Journalist und Schriftsteller.

Leo Hirsch war Sohn des Kolonialwarenhändlers Zwi Hirsch und der Bertha Selka. Er wuchs in die Kleinstadt Ostrowo auf, in der Deutsch, Polnisch und Jiddisch gesprochen wurde. Die Stadt wurde 1918 polnisch, wobei die Familie bei den Pogromen ihr Ladengeschäft verlor und nach Berlin flüchtete. Hirsch musste sein in München angefangenes Studium abbrechen und zum Familienunterhalt beitragen. Er arbeitete beim Berliner Mosse-Verlag als schlecht bezahlter Journalist am Berliner Tageblatt.

Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten arbeitete er im Feuilleton des Jüdischen Nachrichtenblatts, des letzten jüdischen Kommunikationsorgans, das in der Zeit des Nationalsozialismus in Berlin von 1938 bis 1943 erscheinen konnte.[2] Hirsch war außerdem im Kulturbund Deutscher Juden tätig. Er starb – geschwächt durch schwere Zwangsarbeit – im Jüdischen Krankenhaus Berlin.

Sein erster Roman Vorbestraft, ist frei nach dem Ifa-Film Die Vorbestraften von Erich Kraft[3] geschrieben, den Rudolf Meinert inszeniert hatte. „[....] schildert der Autor das trübe Schicksal eines aus dem Gefängnis entlassenen Arbeiters, der von den Unternehmern mit Mißtrauen betrachtet und von seinen Genossen ebenso als Außenseiter der Gesellschaft zurückgestoßen und von neuem auf die Bahn des Unrechts getrieben wird – im Innersten kein Verbrecher, sondern nur ein schuldloser, vom Schicksal gehetzter Mensch“.[4] „Hirschs literarische Figuren scheitern an den sozialen Gegebenheiten einer Gemeinschaft, deren enge bürgerliche Schranken einer Entfaltung des Individuums keinen Raum mehr geben.“[5] Sein zweites Buch im selben Verlag, Die Dackellieder, enthält einige berühmt gewordene Gedichte, u. a. Romanze vom Wedding.[6] Das letzte Gedicht endet:

Nur nicht solche Augen machen,
Wenn man schon im Dreck verreckt...
Tod ist unser Knalleffekt –
Hund! Du konntest niemals lachen?

Beide Bücher wurden von den Nationalsozialisten verboten.[7]

Hirsch war auch Filmkritiker, und er steuerte für die beiden Filme Das Lied vom Leben 1930/1931 und Niemandsland (1931) die Liedtexte bei.[8]

Filmkritiken in Berliner Tageblatt, 12. Januar 1930
  • Die Elemente. O. Ullrich Verlag, Heilbronn 1927.
  • Elisa Radziwill, die Jugendliebe Kaiser Wilhelms I. Ein historisch-psychologisches Lebensbild auf Grund neuer Quellen. Hädecke Stuttgart 1929.
  • Vorbestraft. Roman. Merlin-Verlag, Baden-Baden 1929. Neuauflage: Westhafen Verlag, 2015, ISBN 978-3-942836-04-3.
  • Die Dackellieder. Gedichte. Merlin-Verlag, Baden-Baden 1930.
  • (zus. mit Egon Jacobssohn): Jüdische Mütter. Vortrupp-Verlag, Berlin [1936]. (u. a. über Glückel von Hameln, Gudula Rothschild, Frumet Mendelssohn, Betty Heine, Jeanette Herzl).
  • Das Lichterhaus im Walde. Eine Erzählung für die jüdische Jugend. Illustrationen Ludwig Schwerin. Kedem, Berlin 1936.[9]
  • Jecheskel Kotik: Das Haus meiner Großeltern. Übersetzung aus dem Jiddischen: Leo Hirsch. Schocken, Berlin 1936. (orig. Majne zikrônôt, Warschau 1913; Berlin 1922.)
  • Gespräch im Nebel: Leibniz besucht Spinoza. Philo-Verlag, Berlin 1935. Digitalisat
  • Praktische Judentumskunde. Eine Einführung in die jüdische Wirklichkeit für jedermann. Vortrupp Verlag, Berlin 1935. Neuauflage unter dem Titel: Jüdische Glaubenswelt. Hrsg. von Hans-Joachim Schoeps. Bertelsmann, Gütersloh 1962.
  • Hirsch, Leo. In: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. Band 11: Hein–Hirs. Hrsg. vom Archiv Bibliographia Judaica. Saur, München 2002, ISBN 3-598-22691-8, S. 381–386.
  • Deutsches Literatur-Lexikon, begründet von Wilhelm Kosch. Band VII. Dritte Auflage. Francke, München/Bern 1979, S. 1236.
  • Kerstin Schoor: Vom literarischen Zentrum zum literarischen Ghetto : deutsch-jüdische literarische Kultur in Berlin zwischen 1933 und 1945. Wallstein, Göttingen 2010, ISBN 978-3-8353-0656-1, S. 384–403
  • Kerstin Schoor: „Aber wenn ich dächte, das Leben, die Welt, die Menschheit ist Fortschritt...“ Der Journalist und Schriftsteller Leo Hirsch. In: Jattie Enklaa (Hrsg.): Im Schatten der Literaturgeschichte. RodopiAmsterdam [u. a.], (2005), S. 211–250.
  • Thomas Hatry: „Abseitig“. Robert R. Schmidt und der Merlin-Verlag. Heidelberg 2015.
  • Volker Weidermann: Das Buch der verbrannten Bücher. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008, S. 226f.
  • Kerstin Schoor: Hirsch, Leo. In: Andreas B. Kilcher (Hrsg.): Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur. Jüdische Autorinnen und Autoren deutscher Sprache von der Aufklärung bis zur Gegenwart. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Metzler, Stuttgart/Weimar 2012, ISBN 978-3-476-02457-2, S. 226–228.

Einzelnachweise

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  1. Leo Hirsch In: Jüdisches Museum Berlin jmberlin.de
  2. Digitalisierte Ausgaben des Jüdischen Nachrichtenblatts (Berlin, 1938–1943)
  3. Die Vorbestraften In: filmportal.de
  4. Werbetext des Verlages.
  5. Kerstin Schoor-
  6. Wiederveröffentlicht in: Um uns die Stadt. 1931, hrsg. von Seitz und Zucker.
  7. Verbrannte und Verbannte – Leo Hirsch In: verbrannte-und-verbannte.de
  8. Leo Hirsch In: filmportal.de
  9. Inhaltsangabe bei: Bettina Kümmerling-Meibauer: Leo Hirsch. In: Bettina Kümmerling-Meibauer (Hrsg.): Jüdische Kinderliteratur : Geschichte, Traditionen, Perspektiven. Ausstellungskatalog. Wiesbaden 2005, S. 44f.