Umlaufzahl (Mathematik)
Die Umlaufzahl (auch Windungszahl oder Index genannt) ist eine topologische Invariante, die eine entscheidende Rolle in der Funktionentheorie spielt.
Vorbetrachtung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Umlaufzahl einer Kurve in Bezug auf einen Punkt stellt die Anzahl der Umrundungen entgegen der Uhrzeigerrichtung um dar, wenn man dem Verlauf der Kurve folgt. Eine Umrundung in Uhrzeigerrichtung ergibt die negative Windungszahl −1.
1 | −1 | 0 | 1 | 2 |
---|---|---|---|---|
Definition
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ist eine geschlossene Kurve in und ist ferner ein Punkt in der nicht auf liegt, dann ist die Umlaufzahl von in Bezug auf so definiert:
Die Umlaufzahl (nach dem englischen index) wird in der Literatur oft auch mit oder bezeichnet. Die Umlaufzahl einer geschlossenen Kurve ist unabhängig vom Bezugspunkt immer eine ganze Zahl.
Berechnung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Intuitiv lässt sich die Windungszahl mittels
- (Anzahl der Umläufe von um entgegen dem Uhrzeigersinn) − (Anzahl der Umläufe von um im Uhrzeigersinn)
berechnen. Die Berechnung über die Definition ist oft nicht ohne Weiteres möglich. Als Beispiel wählen wir den Einheitskreis
als Kurve. Nach der intuitiven Regel ist für alle Punkte in seinem Inneren und für alle Punkte außerhalb der abgeschlossenen Kreisscheibe . Letzteres folgt sofort aus dem Integralsatz von Cauchy und der Definition. Sei nun
Es gilt
Durch Vertauschen von Differentiation und Integration ergibt sich
- ,
und weil eine Stammfunktion des Integranden ist, ist Weil zusammenhängend ist, ist also für alle
Anwendung in der Funktionentheorie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Umlaufzahl wird vor allem bei der Berechnung von Kurvenintegralen in der komplexen Zahlenebene verwendet. Sei
eine meromorphe Funktion mit Singularitäten dann kann man nach dem Residuensatz das Integral von über eine (durch keine der Singularitäten verlaufende) Kurve durch
berechnen.
Algorithmus
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der algorithmischen Geometrie wird die Umlaufzahl verwendet, um zu bestimmen, ob ein Punkt außerhalb oder innerhalb eines nichteinfachen Polygons (eines Polygons, dessen Kanten sich überschneiden) liegt. Für einfache Polygone vereinfacht sich der Algorithmus zur Even-Odd-Regel.
Für Polygone (geschlossene Kantenzüge) verwendet man zur Berechnung der Umlaufzahl folgenden Algorithmus:
- Suche eine Halbgerade (beginnend beim zu untersuchenden Punkt nach außen), die keine Eckpunkte des Polygons enthält.
- Setze
- Für alle Schnittpunkte der Halbgerade mit dem Polygonzug:
- Schneidet die Halbgerade eine Polygonkante, die „von rechts nach links“ orientiert ist (wenn der Punkt auf der linken Seite der Kante liegt), erhöhe um 1.
- Schneidet die Halbgerade eine Polygonkante, die „von links nach rechts“ orientiert ist (wenn der Punkt auf der rechten Seite der Kante liegt), verkleinere um 1.
- ist nun die Umlaufzahl des Punktes.
Ist die Umlaufzahl 0, so liegt der Punkt außerhalb des Polygons, sonst innerhalb.
In nebenstehendem Beispiel ist die Halbgerade, mit der gestartet wird, der senkrechte Pfeil. Er schneidet drei Kanten des Polygons. Bezüglich der roten Kante liegt der Punkt rechts Bezüglich der nächsten Kante liegt der Punkt auch rechts und bzgl. der letzten Kante liegt der Punkt links Der Punkt liegt innerhalb des Polygons. Die Polygonfläche ist grau hinterlegt.
Ein analoger Algorithmus ergibt auch für nicht geradlinig verlaufende (geschlossene) Kurven die Umlaufzahl um einen Punkt, allerdings ist da das Überprüfen der Schnittpunkte nicht so einfach zu implementieren.
Verallgemeinerung für n-dimensionale Mannigfaltigkeiten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Verallgemeinerung für -dimensionale Mannigfaltigkeiten stammt von Nikolai Nikolajewitsch Bogoljubow: Unter Benutzung des allgemeinen Stokes’schen Satzes für kann man
schreiben. ist die Einheitskugel im ist die betrachtete -dimensionale geschlossene Mannigfaltigkeit, auf der integriert werden soll.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Eberhard Freitag, Rolf Busam: Funktionentheorie 1. Springer-Verlag, Berlin, ISBN 3-540-67641-4.