Diya (arabisch دية) ist im islamischen Recht (Scharia) das Geld, das vom Täter, der Täterfamilie oder -sippe an die Opferfamilie oder -sippe statt Wiedervergeltung gezahlt wird.
Nach islamischem Recht kann ein Mord auch mit lediglich einer Geldstrafe geahndet werden.
Der Opferfamilie muss nach islamischem Recht die Möglichkeit der Vergeltung angeboten werden. Dies kann durch Wiedervergeltung mit der gleichen Tat bis hin zur Hinrichtung des Täters geschehen. Die Familie des Opfers kann darauf verzichten und stattdessen einen finanziellen Ausgleich verlangen, das sogenannte Blutgeld. Für Nichtmuslime, die nicht im Gebiet des Islam leben, und die keinen Schutzbrief (Aman) haben, die so genannten Ḥarbīs, ist kein Blutgeld zu entrichten, da ihre Tötung nach islamischem Recht zulässig ist.
Dieses Recht wird heute noch in islamischen Staaten angewandt, beispielsweise im Iran, in Saudi-Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Das Justizsystem des Iran veröffentlicht jährlich eine Blutgeld-Tabelle. Die Höhe hängt vom Monat des islamischen Kalenders und vom Geschlecht sowie der Religionszugehörigkeit des Opfers ab. Für Frauen ist dabei weniger zu bezahlen als für Männer, für Nichtmuslime weniger als für Muslime. Im Extremfall ist für einen Zoroastrier nur ein Zwanzigstel von dem zu bezahlen, was für einen Muslim zu bezahlen ist.
In den vier Haram-Monaten, in denen Kriege und Tötungen auf der Arabischen Halbinsel und später dann auch in der gesamten islamischen Welt vermieden werden sollten, wird das Blutgeld verdoppelt, während es für weibliche Opfer immer halbiert wird. Ursprünglich erhielten die Angehörigen von religiösen Minderheiten, die als Dhimmis nur eingeschränkte Rechte haben, ebenfalls nur die halbe Summe. Anfang 2004 wurde die Gesetzgebung geändert, sodass ihnen nunmehr der volle Betrag zusteht. Anfänglich vom Wächterrat zurückgewiesen, wurde die Gleichbehandlung dann vom Schlichtungsrat durchgesetzt.
In den Vereinigten Arabischen Emiraten ist das Blutgeld auf 200.000 AED (ca. 38.000 EUR; Wechselkurs Juli 2011) durch den Obersten Gerichtshof beschränkt. Eine Vielzahl Einheimischer hat eine Versicherung abgeschlossen, die das Blutgeld zahlt, falls der Täter finanziell nicht dazu in der Lage ist. Dies rührt daher, dass 75 % der Bevölkerung Gastarbeiter mit sehr geringen Einkommen (300-600 EUR/Monat) sind und sich die emiratischen Familien damit absichern wollen.
Eine Sonderform der Diya ist die sogenannte Ghurra. Sie wird bei der Verursachung der Frühgeburt eines toten Kindes durch die Verletzung einer Schwangeren fällig.[1] Die Ghurra beträgt ein Zwanzigstel der Diya und ist die grundsätzliche Bestrafung für eine Abtreibung. Die Diya wird nur dann fällig, wenn der Embryo aufgrund eines Eingriffes lebendig aus dem Körper austritt und danach verstirbt. Tritt der Embryo dagegen bereits tot aus dem Körper aus, so ist nur die Ghurra zu zahlen.[2]
Literatur
- E. Tyan: Art."Diya" in The Encyclopaedia of Islam. New Edition Bd. II, S. 340b-343a.