Bewitterung
Die Bewitterung ist eine Umweltsimulation und bezeichnet das Prüfen von Werkstoffen, Materialien oder Produkten durch zielgerichtete Wetterexponierung. Sie dient der Qualitätssicherung hinsichtlich Wetterbeständigkeit und Langlebigkeit. Das Ziel ist die möglichst genaue Bestimmung der Lebensdauer von Produkten, die Wettereinflüssen ausgesetzt sind.
Das Maß der Erhaltung der untersuchten Eigenschaften wird als Wetterechtheit oder Bewitterungsstabilität bezeichnet. Gemäß ISO 2810 wird Wetterbeständigkeit als Beständigkeit gegen alle Veränderungen, die durch das Zusammenwirken aller im Wetter enthaltenen Faktoren physikalischer und chemischer Natur verursacht werden, definiert. Die Wetterechtheit unterscheidet sich dabei von der Lichtechtheit, die eine reine Belichtungsprüfung ist. Diese stellt die Einflüsse durch Strahlung dar, während sich die Wetterechtheit zusätzlich auf Einflüsse durch Feuchtigkeit, Temperatur und Temperaturwechsel, sowie Industrieabgase und weitere atmosphärische Bestandteile wie Salze bezieht.
Die Prüfungen werden entweder praxisbezogen im Freien oder im Labor durchgeführt. Nach Art der Auslagerung wird zwischen natürlicher Bewitterung (Freibewitterung) und künstlicher Bewitterung unterschieden. Bei der natürlichen Bewitterung wird zwischen Echtzeitbewitterung und beschleunigter Bewitterung (Schnellbewitterung) unterschieden. Die künstlichen Bewitterungsmethoden sind üblicherweise beschleunigte Bewitterungsmethoden.
Einflussgrößen
Den Bewitterungsprozess bestimmen folgende Wirkungsfaktoren:
Wirkungsfaktor | Klimagrößen |
---|---|
Globalstrahlung | Bestrahlungsstärke |
Wärme | Umgebungstemperatur |
Wasser | relative Luftfeuchtigkeit, Benässung |
Luftsauerstoff | Sauerstoffkonzentration (konstant) |
Daneben können auch künstliche Umwelteinflüsse wie saurer Regen und Abgase einen Einfluss ausüben.
Methoden
Natürliche Bewitterung
Natürliche Bewitterungsmethoden stellen die realistischste Prüfung der Materialeigenschaften dar. Bewitterungsstationen bieten die Möglichkeit, die Prüflinge praxisnah komplexen Umweltbedingungen auszusetzen. Sie befinden sich entweder an Orten mit extremen klimatischen Bedingungen (z. B. arides Klima) oder mit möglichst konstantem Klima (z. B. Seeklima). Erstere ermöglichen eine Zeitraffung der Freibewitterung durch stärkere Beanspruchung, letztere eine relativ genaue Wiederholbarkeit und Reproduzierbarkeit von Prüfserien. Typische Auslagerungsorte mit stärkerer Beanspruchung befinden sich beispielsweise in Florida und Arizona. An beiden Auslagerungsorten ist die Belastung durch Sonnenlicht sehr hoch. Während in Florida eine hohe Luftfeuchtigkeit, sowie durch die Auslagerung in Meeresnähe eine starke Salzbelastung hinzukommt, herrscht in Arizona Wüstenklima vor.
In den Stationen werden alle Prüflinge den gleichen klimatischen Wirkungsfaktoren ausgesetzt. Das Ergebnis der Freibewitterung hängt im Wesentlichen vom Auslagerungsort und den dort vorherrschenden Bedingungen ab. Es besteht jedoch eine starke Abhängigkeit vom Auslagerungszeitpunkt. Zum einen unterscheiden sich Bewitterungsergebnisse verschiedener Jahre, da die Belastung durch Sonnenlicht, Feuchtigkeit und andere Rahmenbedingungen nicht in jedem Jahr gleich sind, zum anderen spielt die Art der Belastung in den ersten Auslagerungsmonaten eine große Rolle. Ziel ist ein direkter Vergleich sowie die Dokumentation der Haltbarkeit beziehungsweise der Veränderung der Eigenschaften.
Künstliche Bewitterung
Künstliche Bewitterungstests sind reproduzierbarer, da jahreszeitliche Schwankungen, sowie Schwankungen zwischen den Jahren nicht zu erwarten sind. Stochastische Schwankungen und lange Prüfdauer bei der Freibewitterung werden durch die kürzere, wiederholbare und reproduzierbare künstliche Bewitterung vermieden. Zwischen den gelieferten Ergebnissen können sich Unterschiede ergeben, die beispielsweise durch verschiedenartige Gerätebauweisen und -geometrien oder Strahlungsquellen hervorgerufen werden. Typische Prüfgeräte für die beschleunigte maschinelle Bewitterung sind Weather-Ometer, QUV, Xenotest und Suntest.
Anwendung
Bewitterungsprüfungen gehören zu den wichtigsten Materialprüfungen bei Lacken, Kunststoffen und Textilien. Daneben wird die Bewitterungsprüfung im Bereich hochechter Druckfarben angewendet. Es existieren zahlreiche Normen und Gütesiegel, die sich auf Bewitterungsdaten beziehen. Welche Eigenschaft geprüft wird, ist von der Anwendung der zu prüfenden Probe abhängig. Häufige geprüfte Eigenschaften sind etwa Glanzhaltung, Farbstabilität und Stabilität gegen Kreidung bei Lacken oder die mechanische Festigkeit bei Kunststoffen.
Schadensbilder
Durch Bewitterung können abhängig von den Wirkungsfaktoren und dem Aufbau des bewitterten Systems eine Reihe von Schadensbildern auftreten.
Voneinander zu unterscheiden sind die zunächst ähnlich aussehenden Schadensbilder Kreidung und Ausbleichen. Bei der Kreidung wird die Bindemittelmatrix abgebaut, so dass die im Bindemittel eingebundenen Pigmente und Füllstoffe an der Lackoberfläche freiliegen und abgerieben werden können. Optisch zeigt sich Kreidung durch eine Aufhellung infolge erhöhter Streuung an den Pigment- und Füllstoffpartikeln. Ausbleichen zeigt sich ebenfalls in Form einer Aufhellung. Diese wird beim Ausbleichen durch den Abbau der Farbmittel im System erzeugt, wobei das Bindemittel nicht zwingend zerstört wird und sich somit kein Unterschied beim Abreiben zeigt. Da häufig Pigmente und Bindemittel aufeinander abgestimmt werden, überlagern sich diese Schadensbilder in der Praxis.[1]
Die Spaltung der Polymerketten des Bindemittels, gefolgt von einer Vernetzung der Bruchstücke erzeugt härtere und sprödere Kunststoffoberflächen und Lackfilme. Die so erzeugte Versprödung führt bei weiterer Auslagerung zur Bildung von Rissen.[1]
Bei Lacken kann eine Ablösung vom Untergrund auftreten, die als Delamination (Enthaftung) oder Abblättern bezeichnet wird. Wenn bei Mehrschichtlackierungen keine ausreichende Abstimmung zwischen den Lackschichten, insbesondere zwischen Klarlack und darunterliegender Schicht, gegeben ist, findet ein Bindemittelabbau in der unteren Lackschicht statt, der als Unterkreidung bezeichnet wird. Da das in der unteren Schicht verwendete Bindemittel abgebaut wird, liegen die verwendeten Pigmente und Füllstoffe zwischen den Lackschichten. Dadurch löst sich die obere Schicht, üblicherweise ein Klarlack, ab. Enthaftung kann auch auftreten, wenn ionische Reaktionsprodukte an der Grenzfläche zwischen den Lackschichten gebildet werden. Verstärkt werden diese Effekte, wenn die Haftfestigkeit schwierig sicherzustellen ist, etwa bei der Lackierung von Kunststoffoberflächen.[1]
Literatur
- Ulrich Schulz: Kurzzeitbewitterung: Natürliche und künstliche Bewitterung in der Lackchemie. Vincentz Network, Hannover 2007, ISBN 978-3-86630-899-2.
- A. Goldschmidt, H. Streitberger: BASF Handbuch Lackiertechnik. Vincentz Network, Hannover 2002, ISBN 3-87870-324-4.