Fähigkeit

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Von einer Fähigkeit spricht man, wenn ein Mensch in der Lage ist, eine Handlung auszuführen oder „etwas zu tun“ (Duden).[1] Für die breitere Bedeutung „Wissen, Können, Tüchtigkeit“ wird meist der Plural Fähigkeiten verwendet.[2] Auch Tiere und andere Lebewesen haben beachtliche Fähigkeiten. Ferner spricht man von den „Fähigkeiten“ von Geräten, beispielsweise Computern.[3]

Wortfeld

Mehrere ähnliche Begriffe gehören zum Wortfeld.

  • Das „Vermögen“, etwas zu tun, entspricht einer einzelnen Fähigkeit.[4] In dieser Bedeutung gilt das Wort Vermögen als stilistisch „gehoben“ und wird normalerweise nur im Singular verwendet.[5] In der Philosophie war „Vermögen“ früher jedoch ein zentraler Begriff, siehe Vermögen (Fähigkeit) – in diesem speziellen Bereich ist von verschiedenen „Vermögen“ (Plural) die Rede. Darauf aufbauend wurde im 18. Jahrhundert eine Vermögenspsychologie entwickelt.
  • Der moderne Philosophie verzichtet weitgehend auf den Begriff „Vermögen“ und spricht stattdessen von „Disposition“.
  • Die Begriffe „Begabung“ und „Talent“ beziehen sich auf vermeintlich angeborene Fähigkeiten.[6] Zur Ausbildung von Fähigkeiten gehören jedoch in der Regel Lernen und Übung.
  • Fertigkeiten sind Fähigkeiten, die durch Lernen und Übung erworben werden.
  • Know-how ist praxisbezogenes Wissen.
  • „Kompetenz“ – siehe Begriffsklärung Kompetenz.

Der Gegenbegriff zu „Fähigkeit“ ist „Unfähigkeit“.[7]

Psychologie

Eine Fähigkeit ist laut dem Dorsch – Lexikon der Psychologie „die Gesamtheit der zur Ausführung einer bestimmten Leistung erforderlichen personalen Bedingungen“. Das Lexikon fügt folgende Definition von Winfried Hacker hinzu: „in der Lebensgeschichte entstandene, komplexe Eigenschaften, die als verfestigte Systeme verallgemeinerter psychologischer Prozesse den Tätigkeitsvollzug steuern“.[8]

In der Psychologischen Diagnostik ist die Erfassung von Fähigkeiten ein zentraler Gegenstand, weil aus unterschiedlichen Niveaus auch unterschiedlicher zukünftiger Erfolg (Ausbildung, Beruf) vorhergesagt werden kann. Sie entsprechen den Persönlichkeitseigenschaften als überdauernde zeitstabile Dispositionen des Leistungsbereichs und können hinsichtlich der Qualität (Zielerreichung) beurteilt werden.[9]

Philosophie

Fähigkeitstheorien

Es wurden verschiedene Theorien zu den wesentlichen Merkmalen von Fähigkeiten vorgeschlagen. Die konditionale Analyse definiert Fähigkeiten in Bezug darauf, was man tun würde, wenn man den Willen dazu hätte. Für modale Fähigkeitstheorien bedeutet eine Fähigkeit zu haben dagegen, dass der Handelnde die Möglichkeit hat, die entsprechende Handlung auszuführen. Andere Ansätze definieren Fähigkeiten in Bezug auf Dispositionen und Potenziale. Obwohl alle in diesen verschiedenen Ansätzen verwendeten Begriffe eng miteinander verwandt sind, haben sie leicht unterschiedliche Konnotationen, die oft relevant dafür sind, verschiedene Gegenbeispiele zu vermeiden.

Konditionale Analyse

Die konditionale Analyse der Fähigkeit ist der traditionell vorherrschende Ansatz. Sie wird oft auf David Hume zurückgeführt und definiert Fähigkeiten in Bezug darauf, was man tun würde, wenn man es versucht oder den Willen dazu hat. Sie wird in Form eines konditionalen Ausdrucks formuliert. „S hat die Fähigkeit, A zu tun“ ist demnach gleichbedeutend mit „S würde A tun, wenn S versucht, A zu tun“[10][11] oder mit „S würde A tun, wenn S den Willen hat, A zu tun“.[10]

An diesem Ansatz wurde unter anderem kritisiert, dass die Bedingung „wenn die Person es versucht“ manchmal zu Unklarheit führt. Beispielsweise könnte eine Person mit Arachnophobie trotz ihrer Angst versuchen, eine Spinne zu berühren. Wegen ihrer Angst wird sie den Versuch aber wahrscheinlich abbrechen. Somit ist nicht klar, ob eigentlich ein Versuch gemacht wurde. Die Person wäre zwar körperlich in der Lage, eine Spinne zu berühren, ist aber letztlich aus psychischen Gründen unfähig dazu. Die konditionale Analyse in der oben genannten einfachen Formulierung kann solche komplexeren Fälle nicht erfassen, bei denen eine Person in körperlicher Hinsicht fähig und zugleich in psychischer Hinsicht unfähig ist.[10]

Eine andere Form der Kritik bezieht sich auf Fälle, in denen die Fähigkeit vorhanden ist, obwohl sie laut der konditionalen Analyse fehlen würde. Dieses Argument kann sich auf die Idee stützen, dass das Vorhandensein einer Fähigkeit nicht gewährleistet, dass jede einzelne Ausführung dieser Fähigkeit erfolgreich ist.[12][13] Zum Beispiel kann selbst ein guter Golfspieler einmal einen leichten Putt verpassen. Das bedeutet nicht, dass ihm die Fähigkeit fehlt, diesen Putt zu machen, aber genau das ist es, was die konditionale Analyse nahelegt, da er es versucht hat und gescheitert ist.[13] Eine Antwort auf dieses Problem besteht darin, dem Golfer die allgemeine Fähigkeit zuzuschreiben, wie weiter unten beschrieben, ihm aber die spezifische Fähigkeit in diesem Einzelfall abzusprechen.[10]

Modaler Ansatz

Modale Fähigkeitstheorien konzentrieren sich nicht darauf, was der Handelnde unter bestimmten Umständen tun würde, sondern darauf, welche Handlungen möglich sind.[14][15][16] Diese Möglichkeit wird oft im Sinne von möglichen Welten verstanden. Nach dieser Auffassung hat eine Person die Fähigkeit, eine bestimmte Handlung auszuführen, wenn es eine vollständige und konsistente Art und Weise gibt, wie die Welt hätte sein können,[17] in der die Person die entsprechende Handlung ausführt. Mit diesem Ansatz lässt sich die Idee, dass ein Handelnder eine Fähigkeit besitzen kann, ohne sie auszuführen, leicht erfassen. In diesem Fall führt die Person die entsprechende Handlung nicht in der wirklichen Welt aus, aber es gibt eine mögliche Welt, in der sie sie ausführt.[15]

Das Problem bei dem bisher beschriebenen Ansatz besteht darin, dass, wenn der Begriff „möglich“ im weitesten Sinne verstanden wird, viele Handlungen möglich sind, obwohl die Person tatsächlich nicht in der Lage ist, sie auszuführen.[16] Wenn der Handelnde beispielsweise die Kombination des Tresors nicht kennt, kann er den Tresor auch nicht öffnen. Aber das Eintippen der richtigen Kombination ist möglich, d. h. es gibt eine mögliche Welt, in der es dem Handelnden durch einen glücklichen Zufall gelingt, den Tresor zu öffnen.[16] Aufgrund solcher Fälle ist es notwendig, die obige Analyse um weitere Bedingungen zu ergänzen. Diese Bedingungen haben die Aufgabe, die möglichen Welten einzuschränken, die für die Bewertung von Fähigkeitszuschreibungen relevant sind.[16] In engem Zusammenhang damit steht das umgekehrte Problem des zufälligen Erfolgs in der wirklichen Welt. Dieses Problem betrifft die Tatsache, dass eine Person eine Handlung erfolgreich ausführen kann, ohne die entsprechende Fähigkeit zu besitzen.[17][14] So mag ein Anfänger beim Golfen den Ball unkontrolliert schlagen und durch reines Glück ein Hole-in-One erzielen. Der modale Ansatz scheint jedoch zu suggerieren, dass ein solcher Anfänger dennoch die entsprechende Fähigkeit besitzt, da das, was wirklich ist, auch möglich ist.[16][17][14]

Eine Reihe von Argumenten gegen diesen Ansatz geht auf Anthony Kenny zurück, der behauptet, dass verschiedene in der Modallogik gezogene Schlussfolgerungen für Fähigkeitszuschreibungen ungültig sind. Diese Fehler deuten darauf hin, dass der modale Ansatz die Logik von Fähigkeitszuschreibungen nicht erfasst.[14]

Es wurde auch argumentiert, dass sich die konditionale Analyse streng genommen nicht vom modalen Ansatz unterscheidet, da sie nur ein Sonderfall von ihm ist. Dies ist der Fall, wenn konditionale Ausdrücke selbst in Bezug auf mögliche Welten verstanden werden, wie dies beispielsweise von David Kellogg Lewis und Robert Stalnaker vorgeschlagen wird.[14][17] In diesem Fall können viele der Argumente, die sich gegen den modalen Ansatz richten, auch die konditionale Analyse betreffen.

Andere Ansätze

Der dispositionale Ansatz definiert Fähigkeiten in Bezug auf Dispositionen. Nach einer Version hat „S die Fähigkeit zu A unter den Umständen C, genau dann wenn sie die Disposition zu A hat, wenn sie unter den Umständen C A versucht“.[18][19][20] Diese Auffassung ist eng mit der konditionalen Analyse verwandt, unterscheidet sich jedoch von ihr, weil die Manifestation von Dispositionen durch das Vorhandensein von sogenannten Masken und Finken verhindert werden kann. In diesen Fällen ist die Disposition immer noch vorhanden, obwohl der entsprechende konditionale Ausdruck falsch ist.[18][19] Ein anderer Ansatz betrachtet Fähigkeiten als eine Form des Potenzials, etwas zu tun. Dies unterscheidet sich von einer Disposition, da eine Disposition die Beziehung zwischen einem Stimulus und einer Manifestation betrifft, die folgt, wenn der Stimulus vorhanden ist. Ein Potenzial hingegen zeichnet sich nur durch seine Manifestation aus. Bei Fähigkeiten handelt es sich bei der Manifestation um eine Handlung.[21][19]

Kategorisierung von Fähigkeiten

Ob es richtig ist, einem Handelnden eine bestimmte Fähigkeit zuzuschreiben, hängt oft davon ab, welche Art von Fähigkeit gemeint ist. Allgemeine Fähigkeiten (general abilities) betreffen das, was Handelnde unabhängig von ihrer aktuellen Situation tun können, im Gegensatz zu spezifischen Fähigkeiten (specific abilities). Für eine effektive Fähigkeit reicht es aus, dass der Handelnde durch einen glücklichen Zufall erfolgreich ist, was bei transparenten Fähigkeiten nicht der Fall ist.

Allgemein und spezifisch

Allgemeine Fähigkeiten betreffen das, was Handelnde im Allgemeinen tun können, d. h. unabhängig von einer bestimmten Situation. Der Begriff spezifische Fähigkeit bezieht sich darauf, ob die entsprechende Handlung in einer bestimmten Situation möglich ist. Ein erfahrener Klavierspieler hat also immer die allgemeine Fähigkeit, verschiedene Klavierstücke zu spielen; wenn aber gerade kein Klavier vorhanden ist, fehlt ihm die spezifische Fähigkeit, Klavier zu spielen.[22][12] Es gibt auch den umgekehrten Fall, dass eine allgemeine Fähigkeit fehlt und eine entsprechende spezifische Fähigkeit dennoch möglich ist. Beispielsweise können Menschen normalerweise nicht mehrere Meter hoch springen (keine allgemeine Fähigkeit), mit Hilfe eines Trampolins können sie es tun (spezifische Fähigkeit).[12]

Es ist nicht klar, welcher der grundlegendere Begriff ist. Eine spezifische Fähigkeit kann als eine allgemeine Fähigkeit zusammen mit einer Gelegenheit definiert werden. Umgekehrt kann eine allgemeine Fähigkeit als eine spezifische Fähigkeit in verschiedenen relevanten Situationen angesehen werden.[22] Eine ähnliche Unterscheidung wird auch für den weiter gefassten Begriff „Disposition“ getroffen.[12] Die Unterscheidung zwischen allgemeinen und spezifischen Fähigkeiten wird in der wissenschaftlichen Literatur nicht immer explizit vorgenommen.[22] Sie ist aber für verschiedene philosophische Fragen von Bedeutung, insbesondere in der Debatte um den freien Willen bezüglich der Fähigkeit, anders zu handeln.[23] Wird diese Fähigkeit als allgemeine Fähigkeit verstanden, scheint sie mit dem Determinismus vereinbar zu sein. Dies scheint jedoch nicht der Fall zu sein, wenn eine spezifische Fähigkeit gemeint ist.[12]

Effektiv und transparent

Gelegentlich wird in der Literatur die Frage gestellt, ob Fähigkeit auch dann vorliegt, wenn der Zufall zum Erfolg einer Handlung geführt hat.[16][24] Jemand ist beispielsweise in einem schwachen Sinn „fähig“, die ersten vier Nachkommastellen der Zahl Pi aufzusagen, wenn er oft genug irgendwelche Ziffernkombinationen ausspricht, bis er durch Zufall die richtige nennt. In einem stärkeren Sinn ist er nur dann dazu fähig, wenn er sich die richtige Ziffernfolge eingeprägt hat. Der schwächere Sinn wird manchmal als effektive Fähigkeit bezeichnet, im Gegensatz zur transparenten Fähigkeit, die dem stärkeren Sinn entspricht.[16] In der Regel ist mit „Fähigkeit“ der stärkere Sinn gemeint, manchmal aber ein schwächerer Sinn. Beispielsweise wird der Satz „Der Sportler X kann 100 Meter in weniger als 10 Sekunden laufen“ normalerweise nicht so verstanden, dass der Sportler bei jedem Rennen so schnell laufen wird. Ihm wird die Fähigkeit auch dann zugeschrieben, wenn er diese Zeit manchmal nicht erreicht.[16]

Beziehung zu anderen philosophischen Begriffen

Der Begriff der Fähigkeiten ist für verschiedene andere Begriffe und Debatten von Bedeutung. Meinungsverschiedenheiten in diesen Bereichen hängen oft davon ab, wie Fähigkeiten zu verstehen sind. In der Debatte um den freien Willen beispielsweise ist eine zentrale Frage, ob der freie Wille, wenn er als die Fähigkeit verstanden wird, anders zu handeln, in einer Welt existieren kann, die von deterministischen Naturgesetzen beherrscht wird. Der freie Wille steht in engem Zusammenhang mit der Autonomie, die die Fähigkeit des Handelnden betrifft, sich selbst zu bestimmen. Eine weitere Frage ist, ob jemand die moralische Verpflichtung hat, eine bestimmte Handlung auszuführen, und ob er dafür verantwortlich ist, wenn er dies tut oder unterlässt. Dieses Problem hängt unter anderem davon ab, ob die Person die Fähigkeit hat, die betreffende Handlung auszuführen, und ob sie auch anders hätte handeln können. Die Fähigkeitstheorie der Begriffe und des Begriffsbesitzes definiert diese anhand von zwei Fähigkeiten: der Fähigkeit, zwischen positiven und negativen Fällen zu unterscheiden, und der Fähigkeit, Schlussfolgerungen zu verwandten Begriffen zu ziehen.

Freier Wille

In der Debatte um den freien Willen spielt das Thema der Fähigkeiten eine wichtige Rolle.[23][20][25][26] Diese Diskussion dreht sich häufig um die Frage, ob die Existenz des freien Willens mit dem Determinismus vereinbar ist, dem sogenannten Kompatibilismus, oder nicht, dem sogenannten Inkompatibilismus. Der freie Wille wird häufig als die Fähigkeit definiert, anders zu handeln, während der Determinismus als die Ansicht definiert werden kann, dass die Vergangenheit zusammen mit den Naturgesetzen alles bestimmt, was in der Gegenwart und Zukunft geschieht.[23][27] Der Konflikt entsteht dadurch, dass, wenn alles bereits durch die Vergangenheit festgelegt ist, es keinen Sinn zu geben scheint, in dem jemand anders handeln könnte, als er es tut, d. h. dass es keinen Platz für den freien Willen gibt.[25][27] Ein solches Ergebnis könnte schwerwiegende Folgen haben, da einigen Theorien zufolge die Menschen in einem solchen Fall moralisch nicht für ihr Handeln verantwortlich wären.[11]

Eine explizite Theorie darüber, was eine Fähigkeit ausmacht, ist von zentraler Bedeutung, um zu entscheiden, ob Determinismus und freier Wille miteinander vereinbar sind.[25] Verschiedene Fähigkeitstheorien können zu unterschiedlichen Antworten auf diese Frage führen. Es wurde argumentiert, dass gemäß einer dispositionalistischen Fähigkeitstheorie der Kompatibilismus wahr ist, da der Determinismus unmanifestierte Dispositionen nicht ausschließt.[20][23] Ein weiteres Argument für den Kompatibilismus stammt von Susan Wolf, die argumentiert, dass die Art der Fähigkeit, die für moralische Verantwortung relevant ist, mit dem physischen Determinismus vereinbar ist, da die Fähigkeit, eine Handlung auszuführen, nicht bedeutet, dass diese Handlung physisch möglich ist.[11] Peter van Inwagen und andere haben Argumente für den Inkompatibilismus vorgebracht, die sich auf die Tatsache stützen, dass die Naturgesetze unseren Fähigkeiten Grenzen auferlegen. Diese Grenzen sind im Falle des Determinismus so streng, dass die einzigen Fähigkeiten, die jemand besitzt, nur diejenigen sind, die tatsächlich ausgeführt werden, d. h. es gibt keine Fähigkeiten, anders zu handeln, als man es tatsächlich tut.[28][29][25]

Autonomie

Autonomie wird in der Regel als die Fähigkeit definiert, sich selbst zu bestimmen.[30] Sie kann sowohl individuellen Akteuren, wie menschlichen Personen, als auch kollektiven Akteuren, wie Nationen, zugeschrieben werden.[31][32] Autonomie wird oft in Verbindung mit einer rationalen Komponente verstanden, z. B. als die Fähigkeit des Handelnden, einzuschätzen, welche Gründe er hat, und dem stärksten Grund zu folgen.[31] Robert Audi beispielsweise charakterisiert Autonomie als die Fähigkeit, sich selbst zu steuern, indem man durch Gründe das eigene Verhalten lenkt und die eigenen propositionalen Einstellungen beeinflusst.[33]:211-2[34] Autonomie kann auch die Fähigkeit umfassen, die eigenen Glaubenshaltungen und Begierden zu hinterfragen und gegebenenfalls zu ändern.[35] Einige Autoren schließen die Bedingung ein, dass die Entscheidungen, die die Selbstbestimmung betreffen, in keiner Weise von Kräften außerhalb der eigenen Person bestimmt werden, d. h. dass sie ein reiner Ausdruck des eigenen Willens sind, der nicht von jemand anderem kontrolliert wird.[13] In der kantischen Tradition wird Autonomie häufig mit Selbstgesetzgebung gleichgesetzt, die als Festlegung von Gesetzen oder Prinzipien interpretiert werden kann, die zu befolgen sind. Dies beinhaltet die Idee, dass die eigene Fähigkeit zur Selbstbestimmung nicht nur von Fall zu Fall ausgeübt wird, sondern dass man sich langfristig auf allgemeinere Prinzipien einlässt, die für viele verschiedene Situationen gelten.[36][35]

Verpflichtung und Verantwortung

Das Thema der Fähigkeiten hängt eng mit den Begriffen Verantwortung und Verpflichtung zusammen. Was die Verpflichtung betrifft, so wird in der ethischen Literatur häufig der Grundsatz „Sollen impliziert Können“ zitiert. Seine ursprüngliche Formulierung wird Immanuel Kant zugeschrieben. Er besagt, dass ein Handelnder nur dann moralisch verpflichtet ist, eine bestimmte Handlung auszuführen, wenn er fähig ist, diese Handlung auszuführen.[37][38] Als Konsequenz dieses Prinzips ist es nicht gerechtfertigt, einem Handelnden für etwas die Schuld zu geben, das außerhalb seiner Kontrolle lag.[39] Diesem Grundsatz zufolge hat beispielsweise eine am Ufer sitzende Person keine moralische Verpflichtung, ins Wasser zu springen, um ein in der Nähe ertrinkendes Kind zu retten, und sollte nicht für die Unterlassung dieser Handlung getadelt werden, wenn sie aufgrund einer Querschnittslähmung nicht dazu in der Lage ist.

Das Problem der moralischen Verantwortung hängt eng mit Verpflichtung zusammen. Ein Unterschied besteht darin, dass „Verpflichtung“ eher in einem vorausschauenden Sinne verstanden wird, im Gegensatz zur rückwärts gerichteten Verantwortung. Dies sind jedoch nicht die einzigen Konnotationen dieser Begriffe.[40] Eine gängige Ansicht in Bezug auf moralische Verantwortung ist, dass die Fähigkeit, das eigene Verhalten zu kontrollieren, notwendig ist, um dafür verantwortlich zu sein.[13] Dies wird oft mit der These verbunden, dass der Person Handlungsalternativen zur Verfügung standen, d. h. dass sie die Möglichkeit hatte, anders zu handeln.[27] Aber einige Autoren, häufig aus der Tradition der Inkompatibilisten, vertreten die Auffassung, dass es für die Verantwortlichkeit nur darauf ankommt, so zu handeln, wie man sich entscheidet, auch wenn keine Möglichkeit bestand, anders zu handeln.[27]

Eine Schwierigkeit bei diesen Grundsätzen besteht darin, dass unsere Fähigkeit, etwas zu einem bestimmten Zeitpunkt zu tun, oft davon abhängt, dass wir zuvor etwas anderes getan haben.[41][42] So kann eine Person in der Regel in 5 Minuten an einem Treffen teilnehmen, wenn sie sich derzeit nur wenige Meter vom geplanten Ort entfernt befindet, aber nicht, wenn sie Hunderte von Kilometern entfernt ist. Dies scheint die kontraintuitive Konsequenz zu haben, dass Personen, die ihren Flug aus Nachlässigkeit verpasst haben, moralisch nicht für ihr Versagen verantwortlich sind, weil ihnen derzeit die entsprechende Fähigkeit fehlt. Eine Möglichkeit, auf diese Art von Beispiel zu reagieren, besteht darin, zuzulassen, dass die Person nicht für ihr Verhalten 5 Minuten vor dem Treffen zu tadeln ist, sondern dass sie stattdessen für ihr früheres Verhalten zu tadeln ist, das dazu geführt hat, dass sie den Flug verpasst hat.[41]

Begriffe und Begriffsbesitz

Begriffe sind die grundlegenden Bestandteile von Gedanken, Glaubenshaltungen und Propositionen.[43][44] Als solche spielen sie eine zentrale Rolle für die meisten Formen der Erkenntnis. Eine Person kann sich nur dann eine Proposition vorstellen, wenn sie die Begriffe besitzt, die zu dieser Proposition gehören.[45] Zum Beispiel beinhaltet die Proposition „Wombats sind Tiere“ die Begriffe „Wombat“ und „Tier“. Jemand, der den Begriff „Wombat“ nicht besitzt, kann den Satz zwar lesen, aber er kann sich die entsprechende Proposition nicht vorstellen. Es gibt verschiedene Theorien darüber, wie Begriffe und Begriffsbesitz zu verstehen sind.[43] Ein prominenter Vorschlag sieht Begriffe als kognitive Fähigkeiten von Personen. Befürworter dieser Auffassung nennen häufig zwei zentrale Aspekte, die den Begriffsbesitz kennzeichnen: die Fähigkeit, zwischen positiven und negativen Fällen zu unterscheiden, und die Fähigkeit, vom jeweiligen Begriff Schlüsse auf verwandte Begriffe zu ziehen.[45][46] So sollte eine Person, die den Begriff „Wombat“ besitzt, zum einen in der Lage sein, Wombats von Nicht-Wombats (wie Bäumen, DVD-Playern oder Katzen) zu unterscheiden. Andererseits sollte diese Person in der Lage sein, anzugeben, was aus der Tatsache folgt, dass etwas ein Wombat ist, z. B. dass es ein Tier ist, dass es kurze Beine hat oder dass es einen langsamen Stoffwechsel hat. In der Regel wird davon ausgegangen, dass diese Fähigkeiten in erheblichem Maße vorhanden sein müssen, dass aber Perfektion nicht erforderlich ist. So können auch einige Menschen, die um deren langsamen Stoffwechsel nicht wissen, als Besitzer des Begriffs „Wombat“ gelten. Gegner der Fähigkeitstheorie von Begriffen haben argumentiert, dass die Fähigkeiten zum Unterscheiden und Schlussfolgern zirkulär sind, da sie den Begriffsbesitz bereits voraussetzen, anstatt ihn zu erklären.[45] Sie neigen dazu, alternative Darstellungen von Begriffen zu verteidigen, z. B. als mentale Repräsentationen oder als abstrakte Objekte.[46][43]

Fähigkeiten von Tieren

Tiere haben spezialisierte, zu ihrer jeweiligen Lebensweise passende Fähigkeiten, die die Fähigkeiten des Menschen oft weit überragen. Beispiele: Vögel haben die Fähigkeit zu fliegen – mit Ausnahme der flugunfähigen Vögel. Viele Tiere können sich schneller fortbewegen als Menschen, Fische können besser schwimmen, Hunde können besser riechen. Der Mensch ist im Bereich der kognitiven Fähigkeiten überlegen.

Einzelnachweise

  1. Duden: Fähigkeit, siehe Bedeutung 2; beachte dort den Hinweis „ohne Plural“.
  2. Duden: Fähigkeit, siehe Bedeutung 1; beachte dort den Hinweis „meist im Plural“.
  3. Duden: Fähigkeit, siehe Bedeutung 3; beachte dort das Beispiel „das Gerät hat attraktive Fähigkeiten“.
  4. Duden: Fähigkeit, siehe Bedeutung 2; beachte dort die Angabe „Vermögen, etwas zu tun“.
  5. Duden: Vermögen, siehe Bedeutung 1; beachte dort die Hinweise „gehoben“ und „ohne Plural“.
  6. Duden: Begabung , siehe Bedeutung 1.
  7. Unfähigkeit. In: DWDS – Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache..
  8. Fähigkeit in: Dorsch – Lexikon der Psychologie.
  9. Heinz Walter Krohne, Michael Hock: Psychologische Diagnostik. Grundlagen und Anwendungsfelder. Kohlhammer, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-17-025257-8, Kap. 2.2 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
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  12. a b c d e Ann Whittle: Dispositional Abilities. In: Philosophers' Imprint. 10. Jahrgang, 2010 (philpapers.org).
  13. a b c d Susan Wolf: Freedom Within Reason. Oup Usa, 1990, 1. The Dilemma of Autonomy (philpapers.org).
  14. a b c d e John Maier: Abilities: 4. Modal theories of ability. In: The Stanford Encyclopedia of Philosophy. Metaphysics Research Lab, Stanford University, 2021;.
  15. a b John Maier: Ability, Modality, and Genericity. In: Philosophical Studies. 175. Jahrgang, Nr. 2, 2018, S. 411–428, doi:10.1007/s11098-017-0874-9 (philpapers.org).
  16. a b c d e f g h Wolfgang Schwarz: Ability and Possibility. In: Philosophers' Imprint. 20. Jahrgang, 2020 (philpapers.org).
  17. a b c d Christopher Menzel: Possible Worlds. In: The Stanford Encyclopedia of Philosophy. Metaphysics Research Lab, Stanford University, 2021;.
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  21. Barbara Vetter: 'Can' Without Possible Worlds: Semantics for Anti-Humeans. In: Philosophers' Imprint. 13. Jahrgang, 2013 (philpapers.org).
  22. a b c John Maier: Abilities: 2. Two fundamental distinctions. In: The Stanford Encyclopedia of Philosophy. Metaphysics Research Lab, Stanford University, 2021;.
  23. a b c d Simon Kittle: Abilities to Do Otherwise. In: Philosophical Studies. 172. Jahrgang, Nr. 11, 2015, S. 3017–3035, doi:10.1007/s11098-015-0455-8 (philpapers.org).
  24. Matthew Mandelkern, Ginger Schultheis, David Boylan: Agentive Modals. In: Philosophical Review. 126. Jahrgang, Nr. 3, 2017, S. 301–343, doi:10.1215/00318108-3878483 (philpapers.org).
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  29. Kadri Vihvelin: Free Will Demystified: A Dispositional Account. In: Philosophical Topics. 32. Jahrgang, Nr. 1/2, 2004, S. 427–450, doi:10.5840/philtopics2004321/211 (philpapers.org).
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