Afrotheria

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Afrotheria

Verschiedene Angehörige der Afrotheria

Systematik
ohne Rang: Amnioten (Amniota)
ohne Rang: Synapsiden (Synapsida)
Klasse: Säugetiere (Mammalia)
ohne Rang: Theria
Unterklasse: Höhere Säugetiere (Eutheria)
Überordnung: Afrotheria
Wissenschaftlicher Name
Afrotheria
Stanhope, Waddell, Madsen, de Jong, Hedges, even, Kao & Springer, 1998

Die Afrotheria sind eine molekulargenetisch festgelegte Überordnung innerhalb der Unterklasse der höheren Säugetiere. Sie umfassen rund 90 Arten. Der äußerlich recht inhomogen anmutenden Gruppe ist die stammesgeschichtliche Herkunft aus Afrika gemeinsam. Abgesehen vom Asiatischen Elefanten, einer Schliefer-Art und den Seekühen ist dieser Kontinent auch heute noch ihr Lebensraum.

In der späten Kreidezeit haben sich die Afrotheria in Afrika von ihrer Schwestergruppe getrennt, den Exafroplacentalia (Nebengelenktiere und Boreoeutheria).

Diese Säugetiergruppe ist sehr vielgestaltig und umfasst Wasserbewohner wie die Seekühe, Ameisenfresser wie das Erdferkel oder Riesen wie die Elefanten. Der Zwergkleintenrek (Microgale parvula) und der Gnomkleintenrek (Microgale pusilla) sind mit einem Gewicht von bis zu 4 Gramm die kleinsten Vertreter der Afrotheria; der Afrikanische Elefant (Loxodonta africana) ist dagegen mit seinem Gewicht von bis zu 5 Tonnen das größte Landsäugetier.

Von den genetischen Merkmalen, welche die Gruppe definieren, abgesehen, sind nur wenige skelettanatomische Merkmale bekannt, die die Gruppe vereinen. Alle Afrotherien besitzen gegenüber zahlreichen anderen, vor allem frühen Vertretern der Höheren Säugetiere und im Vergleich zu den Beuteltieren eine höhere Anzahl an Wirbeln in der Brust- und Lendenwirbelsäule (20 bis 31 gegenüber 19).[1] Eine weitere Synapomorphie (gemeinsames Merkmal) könnte in dem sehr späten Durchbruch des permanenten Gebisses erst im Erwachsenenstadium zu finden sein.[2]

Darüber hinaus zeichnet sich die Tiergruppe durch einige „primitive“ Merkmale aus, die sie mit urtümlichen Tiergruppen wie den Kloakentieren teilt. So liegen die Hoden der Männchen vieler Afrotherier in der Bauchhöhle und die Thermoregulation ist bei vielen Arten kaum entwickelt. Letzteres kann aber auch damit zusammenhängen, dass sie aus warmen Klimazonen stammen.

Stammesgeschichte

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Mit dem Auseinanderbrechen des südlichen Großkontinents Gondwana in der Kreidezeit vor etwa 105 Millionen Jahren haben sich die Afrotheria vermutlich von allen anderen Gruppen der höheren Säugetiere getrennt entwickelt. Ihr gemeinsamer Vorfahr war vermutlich ein waldlebender Insekten- oder Pflanzenfresser.

Sehr frühe Nachweise der Afrotheria stammen aus Marokko und sind rund 60 Millionen Jahre alt, datieren somit in das ausgehende Paläozän. Dazu zählen etwa Ocepeia, ein sehr urtümlicher Vertreter, oder Eritherium, eines der ältesten bekannten Rüsseltiere.[3] Zu vielen Säugergruppen, die sich zur gleichen Zeit auf dem nördlichen Großkontinent Laurasia entwickelten, brachten die Afrotheria ökologische Gegenstücke hervor. So ähneln die Tenrekartigen den Insektenfressern (beispielsweise die Goldmulle den Maulwürfen), die Seekühe haben in ihrem Körperbau Parallelen zu Walen und Robben, die Schliefer ähneln Murmeltieren.

Als sich vor etwa 30 bis 40 Millionen Jahren durch die Annäherung Afrikas an Europa und Asien wieder die isolierte Lage Afrikas aufhob, wanderten zahlreiche Säugetiergruppen aus Eurasien nach Afrika ein; einige Afrotherier, wie die Elefanten und die Schliefer, besiedelten ihrerseits die nördlichen Kontinente.

Die Vertreter der Afrotheria tragen in ihren Genomen spezifische Retroposons, sogenannte AfroSINEs, die die Zusammengehörigkeit belegen. Die Gruppe umfasst sechs ganz unterschiedlich aussehende rezente Ordnungen:

Innere Systematik der Afrotheria nach Heritage et al. 2021[5]

 Afrotheria  
  Afroinsectiphilia  
  Afroinsectivora  
  Afrosoricida  

 Chrysochloridae (Goldmulle)


  Tenrecomorpha  

 Tenrecidae (Tenreks)


   

 Potamogalidae (Otterspitzmäuse)




  Macroscelidea (Rüsselspringer)  

 Macroscelididae (Elefantenspitzmäuse und Rüsselratte)


   

 Rhynchocyonidae (Rüsselhündchen)




   

 Tubulidentata (Erdferkel)



  Paenungulata  

 Hyracoidea (Schliefer)


  Tethytheria  
  Sirenia (Seekühe)  

 Dugongidae (Dugongs)


   

 Trichechidae (Manatis)



   

 Proboscidea (Rüsseltiere)





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Auch die vor vielen Millionen Jahren erloschenen Linien der nashornähnlichen Embrithopoda und der amphibischen Desmostylia dürften zu den Afrotheria gehören. Schliefer, Seekühe und Elefanten werden manchmal aufgrund ihrer engen Verwandtschaft als Paenungulata zusammengefasst, die dann auch die Embrithopoda und die Desmostylia einschließen.

Eine Studie aus dem Jahr 2021 verweist zudem ein Taxon namens Sudamericungulata zu den Afrotherien, was aus rein anatomischen Erwägungen erfolgt. Die Sudamericungulata fassen die ausgestorbenen Litopterna und Didolodontidae zusammen, die in einer traditionellen Auffassung den sogenannten Südamerikanischen Huftieren (Meridiungulata) zugesprochen werden.[6] Letztere Ansicht ließ sich in einer umfassenden phylogenetischen Analyse aus dem Jahr 2022 wieder untermauern.[7]

  • M. Nikaido, H. Nishihara, Y. Hukumoto, N. Okada: Ancient SINEs from African endemic mammals. In: Mol Biol Evol. 20, 2003, S. 522–527.
  • William J. Murphy, Eduardo Eizirik, Mark S. Springer u. a.: Resolution of the Early Placental Mammal Radiation Using Bayesian Phylogenetics. In: Science. Vol 294, Issue 5550, 14. Dezember 2001, S. 2348–2351.
  • Jan Ole Kriegs, Gennady Churakov, Martin Kiefmann, Ursula Jordan, Juergen Brosius, Juergen Schmitz: Retroposed Elements as Archives for the Evolutionary History of Placental Mammals. In: PLoS Biol. 4(4), 2006, S. e91. (abstract)
  • David Macdonald: Die große Enzyklopädie der Säugetiere. Könemann in der Tandem Verlag, Königswinter 2004, ISBN 3-8331-1006-6.

Einzelnachweise

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  1. Marcelo R. Sanchez-Villàgra, Yuichi Narita, Shigeru Kuratani: Thoracolumbar vertebral number: the first skeletal synapomorphy for afrotherian mammals. In: Systematics and Biodiversity. 5, 2007, S. 1–7.
  2. Robert J Asher, Thomas Lehmann: Dental eruption in afrotherian mammals. In: BMC Biology. 6, 2008, S. 14, doi:10.1186/1741-7007-6-14
  3. Emmanuel Gheerbrant, Mbarek Amaghzaz, Baadi Bouya, Florent Goussard, Charlène Letenneur: Ocepeia (Middle Paleocene of Morocco): The Oldest Skull of an Afrotherian Mammal. In: PLOSone. 9 (1), 2014, S. e89739 (plosone.org).
  4. Michael Buckley: A Molecular Phylogeny of Plesiorycteropus Reassigns the Extinct Mammalian Order ‘Bibymalagasia’. In: PlosOne. 8 (3), 2013, S. e59614, doi:10.1371/journal.pone.0059614
  5. Steven Heritage, Erik R. Seiffert und Matthew R. Borths: Recommended fossil calibrators for time-scaled molecular phylogenies of Afrotheria. Afrotherian Conservation 17, 2021, S. 9–13
  6. Leonardo S. Avilla und Dimila Mothé: Out of Africa: A New Afrotheria Lineage Rises From Extinct South American Mammals. Frontiers in Ecology and Evolution 9, 2021, S. 654302, doi:10.3389/fevo.2021.654302
  7. Alejandro G. Kramarz, Ross D. E. Macphee: Did some extinct South American native ungulates arise from an afrothere ancestor? A critical appraisal of Avilla and Mothé's (2021) Sudamericungulata – Panameridiungulata hypothesis. Journal of Mammalian Evolution, 2022, doi:10.1007/s10914-022-09633-5