Kautionssystem (Vereinigte Staaten)

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Das Kautionssystem in den Vereinigten Staaten hat sich durch die dortige rechtliche und prozessrechtliche Situation entwickelt, die sich zum Teil erheblich von anderen Ländern (beispielsweise Deutschland) unterscheidet.

In den USA kann ein Angeklagter gegen Zahlung einer Kaution bis zur Hauptverhandlung auf freiem Fuß bleiben und muss nicht in Haft. Durch die Stellung der Kaution soll das Erscheinen des Angeklagten zur Hauptverhandlung sichergestellt werden.

Nach dem 8. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten darf die Höhe der Kaution nicht unverhältnismäßig sein.

Bei der Festnahme eines Tatverdächtigen stellt sich die Frage, wo er die Zeit bis zur Hauptverhandlung verbringt. In vielen europäischen Ländern bleibt der Verdächtige auf freiem Fuß, wenn nicht von einer Fluchtgefahr (oder anderen Gefahren, insbesondere Verdunkelungsgefahr) auszugehen ist. Dazu reicht meist ein fester Wohnsitz im Land aus. Ansonsten käme der Verdächtige in Untersuchungshaft.

In den Vereinigten Staaten hingegen gibt es diese Form der Untersuchungshaft nicht, sodass der Angeklagte sofort in ein normales Gefängnis kommt. Andererseits ist es in den Vereinigten Staaten einfacher als in Europa unterzutauchen, da es u. a. keine Meldepflicht gibt. Daher bietet das US-amerikanische Rechtssystem – sofern es sich nicht um bestimmte schwere Anklagen handelt – die Möglichkeit, gegen Zahlung einer Kaution in Freiheit auf die Verhandlung zu warten. Dies ist gängige Praxis in den USA.

Die Kaution dient als Sicherheit dafür, dass der Angeklagte ordnungsgemäß zur Eröffnung seiner Hauptverhandlung vor Gericht erscheint – anderenfalls fällt die Kaution nach einer bestimmten Frist an den Staat. Bei Abschluss des ordentlichen Gerichtsverfahrens, wenn der Angeklagte zu allen Verhandlungsterminen erschienen ist, wird die hinterlegte Kaution zurückerstattet. Dabei ist es unerheblich, ob der Angeklagte freigesprochen oder für schuldig befunden wurde.

2017 wurde in New Jersey eine Gesetzesänderung beschlossen, nach welcher anstelle einer Geldkaution mittels eines Algorithmus (Public Safety Assessment)[1] die Wahrscheinlichkeit errechnet werden soll, ob eine Person zur Verhandlung erscheint und ob diese auf freiem Fuß eine Straftat begehen wird. Das Ergebnis der Berechnung ist eine Empfehlung für den Richter, wie er vorgehen kann (z. B. Verhängung von Hausarrest, Drogentests, Fußfessel etc. anstelle einer Kaution). Bei schwerwiegenden Delikten wird immer die Inhaftierung empfohlen (z. B. bei Sexualdelikten, Raub, Mord etc.). Am 9. Januar 2018 wurde auch in New York vom Gouverneur ein Gesetzesvorschlag eingebracht, so dass bei kleineren Vergehen und nicht gewalttätigen Straftaten keine Kaution mehr verlangt werden muss. Ähnliche Überlegungen wurden auch von der Staatsanwaltschaft von Atlanta angestellt.[2]

Zu 2023 wurde in Illinois das Bargeld-Kautionsystem abgeschafft.[3]

Wesentliche Kritiker dieser Änderungen sind die Kautionsagenten, die von der Kautionsstellung profitieren.[4]

Kautionsbüro in Indianapolis, USA

Die Hauptmasse der Angeklagten kann die Kaution nicht selbst aufbringen. So ist in den USA der Beruf des Kautionsagenten (englisch: bail bondsman, bail bond agent)[5] entstanden. Er stellt gegen eine Gebühr von ca. 10–15 % der Kautionssumme die Kaution vor Gericht. Dabei stehen die Begriffe bail für Kaution und bond für Bürgschaft, das heißt, der Kautionsagent bürgt für die Kaution, z. B. in Form einer Bankgarantie.

Technisch läuft die Kautionsstellung folgendermaßen ab:

  • Der Richter legt die Höhe der Kaution fest.
  • Im Gefängnis hat der Angeklagte das Recht, begrenzt zu telefonieren. Dies umfasst unter anderem Anrufe zu:
    • einem Angehörigen, der alles organisiert, oder
    • einem Anwalt oder
    • einem Kautionsagenten (die Werbeaufkleber der örtlichen Kautions-Agenten finden sich direkt neben dem Telefon im Gefängnis bzw. im örtlichen Branchentelefonbuch).

Eventuell verlangt der Agent die Stellung von zusätzlichen Sicherheiten wie Kfz-Brief, Immobilien, Schuldschein eines Verwandten. Er wird sich die Nummer eines nahen Verwandten oder Freundes geben lassen, der im Voraus die Gebühr für seine Dienste bezahlen muss. Erst dann wird er vor Gericht die Kaution in Form einer Bankbürgschaft stellen.

Eine normale Bank würde des Risikos wegen keine Kautionen leihen. Daher haben Kautionsbüros vom Gesetz besondere Rechte erhalten, um dieses Risiko zu verringern. Der Kautionsagent hat das Recht, den Aufenthaltsort seines Kunden zu bestimmen. Er darf ihn festnehmen – erforderlichenfalls auch mit Gewalt. Daher benötigt der Kautionsagent zum Ausüben seiner Tätigkeit eine Lizenz und unterliegt berufsrechtlichen Bestimmungen. Je nach Risikoeinschätzung wird der Kautionsagent verlangen, dass der Angeklagte beispielsweise täglich im Büro des Agenten erscheint oder zusätzlich noch anruft, um den Agenten davon zu überzeugen, dass er nicht geflüchtet ist.

Dennoch lehnen auch viele Kautionsagenten die Stellung einer Kaution für bestimmte Verdächtige, zum Beispiel reisende Banden von Ladendieben, ab.

Für bedürftige Personen wurde stellenweise ein System der Kautionsstellung durch die öffentliche Hand erprobt, aber wieder verworfen.

Je nach Firmengröße unterscheidet man

  • den selbständigen Kautions-Agenten mit eigenem Büro,
  • den Subunternehmer, der die Kautionen im Namen eines General-Kautionsagenten stellt, und
  • den Kleinunternehmer, der ohne Kredite, nur mit seinen eigenen Barmitteln die Kautionen stellt.

Es wird geschätzt, dass es 2018 etwa 15.000 solcher Kautionsbüros gab.[6]

Untertauchen vor der Hauptverhandlung

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Falls der vorgeladene Angeklagte trotz hinterlegter Kaution nicht zur Hauptverhandlung erscheint (was noch eine zusätzliche Straftat darstellt), nennt man das skipping bail oder jumping bail. Das Gericht stellt dann einen Haftbefehl aus und legt den Termin fest, zu dem die Kaution an den Staat fällt. Bis zu diesem Verfallstag muss der Kautionsagent die zugesicherte Kaution an das Gericht zahlen. Er kann dann auch die zusätzlichen Sicherheiten, die er vom Angeklagten verlangt hat, veräußern. Einen eventuellen Mehrerlös daraus darf er allerdings nicht behalten.

Da die vom Kautionsagenten hinterlegte Kaution beim Nichterscheinen des Angeklagten nach einer festgelegten Frist verfällt, hat er ein starkes Interesse daran, den Flüchtigen bald zu finden. Entweder versucht er selbst ihn zu finden oder engagiert einen so genannten Kopfgeldjäger (engl.: bounty hunter). Ein Kopfgeldjäger ist ein Privatunternehmer, der seine Aufträge und sein Honorar vom Kautionsagenten erhält. Damit ein Kopfgeldjäger effektiver arbeiten kann als eine sonstige Privatperson, hat er bestimmte Sonderrechte. So darf er sich beispielsweise als eine andere Person ausgeben, um durch Täuschung an Informationen über den Aufenthaltsort des Flüchtigen zu gelangen. Für Eigentumsschäden während der Festnahme haftet der Kopfgeldjäger jedoch persönlich. Die Gesetze der verschiedenen US-Bundesstaaten unterscheiden sich hinsichtlich seiner Rechte und Pflichten.

Einzelnachweise

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  1. Entwickelt von der Laura und John Arnold Foundation. Es wurden Daten über 750.000 Rechtsfällen gesammelt, ausgewertet und daraus Kriterien abgeleitet, die sich nach dem Alter des Beschuldigten, früheren Verurteilungen und Inhaftierungen und eines Nichterscheinens vor Gericht richten sollen. Ethnische Zugehörigkeit soll ausdrücklich nicht als Kriterium berücksichtigt werden, was jedoch bereits bezweifelt wird. Siehe auch: Correctional Offender Management Profiling for Alternative Sanctions (COMPAS) ein Algorithmus, der in den USA bei Gerichten in Verwendung ist und der auf Basis von 137 Merkmalen eine Wahrscheinlichkeit dafür errechnet, ob Straftäter rückfällig werden oder nicht und in Kritik geraten ist.
  2. Stephen M. Harnik in Get Out of Jail Free, Anwalt Aktuell 1/18, S. 16 f.
  3. Cheryl Corley: Illinois Becomes 1st State To Eliminate Cash Bail. NPR, National Public Radio, 22. Februar 2021, abgerufen am 2. November 2023 (englisch).
  4. Stephen M. Harnik in Get Out of Jail Free, Anwalt Aktuell 1/18, S. 17.
  5. Bail Bond Agents criminal.findlaw.com
  6. Stephen M. Harnik: Get Out of Jail Free. In: Anwalt Aktuell 1/18, S. 17. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 8. April 2018; abgerufen am 14. September 2023.