Gärtner und Naturfotografen brauchen kein Fitnessstudio. Erstere aus naheliegenden Gründen: Das Auf und Nieder beim Unkrautjäten oder Kompostverteilen strapaziert Muskeln, an deren Existenz man bis dahin gar nicht geglaubt hatte.
Doch auch das Fotografieren freier Wildbahn oder im Garten ist kein Spaziergang. Möchte man Insekten auf Augenhöhe begegnen, heißt es erstmal: In die Hocke gehen. Sollte das Insekt wieder Erwarten dann noch nicht die Schnauze voll haben von der Tante mit dem schwarzen Ding in der Hand, muss man sich sehr langsam hinknien und heranrobben. Meist ist das Maß jetzt aber voll und weg ist der Schmetterlinge. Das kann man sehr oft wiederholen, ohne jemals zum Schuss gekommen zu sein. Gymnastik für Naturfotografen also.
Selbstverständlich hält ein Insekt aber genau dann seelenruhig still, wenn der Hintergrund unschön ist, also keine Blüte darstellt, sondern Asphalt oder immerhin Gras. Es geht aber noch schlimmer. Ihr dürft ruhig erstmal raten, auf was dieser Kleine Würfel-Dickkopffalter oder Malven-Würfelfleck (Pyrgus malvae).
Die Fliege gibt einen dezenten Hinweis, der gar nicht dezente Geruch ist ja nicht ansatzweise zu erahnen. Trotzdem habe ich mich pflichtschuldigst hingekniet und diese Fotos gemacht. Ist ja auch eine Erkenntnis, dass der Dickkopf stinkende Dinge mag.
Und dabei gab es hübsche Hintergründe genug. Das Scheißfoto entstand nämlich im Biosphärenreservat Bliesgau im Orchideengebiet bei Gersheim im Saarland.
Hier grasen große Unpaarhufer, deren Hinterlassenschaften zum Fotografieren deutlich angenehmer sind - und für den Garten auch!
Von den Stars, den Orchideen, gibt es nicht nur alle zwei Meter mal eine versprengte! Nein, es ist alles voll davon, und gleich in mehreren Arten. Da kann die Naturfotografin ganz viel Gymnastik machen!
Zum Bestimmen der Arten liegt ein wetterfestes Buch aus.
Nicht zu übersehen ist das Purpur-Knabenkraut (Orchis purpurea) - eine gigantisch große Pflanze!
Ähnlich, aber viel kleiner ist das Brand-Knabenkraut (Neotinea ustulata), rechts im Bild die Bocks-Riemenzunge (Himantoglossum hircinum):
Das hier ist das Helm-Knabenkraut (Orchis militaris):
Sehr häufig ist das Breitblättrige Knabenkraut (Dactylorhiza majalis), manche Pflanzen blühen sogar weiß.
Außer Orchideen finden sich noch die Zypressen-Wolfsmilch, Kleiner Wiesenknopf, Wiesen-Salbei, Kreuzblümchen, Hornklee und die Weiße Schwalbenwurz im Gebiet.
Auch den Goldenen Scheckenfalter gibt es hier, der schönere Untergründe gewählt hat als der Dickkopf:
Hier sitzt ein Dunkler Dickkopffalter (Erynnis tages), immerhin auf einem Hintergrund, der zwar keine Blüte ist, aber auch nicht den Appetit verdirbt:
Der Besuch des Orchideengebiets ist ein Muss, wenn man im Bliesgau ist! Es verbietet sich ausdrücklich, Pflanzen zu pflücken oder ganz auszugraben, im Garten würden sie sowieso nichts, sie brauchen diesen trockenen Magerrasen.
Für dieses wunderschöne Naturschutzgebiet lohnt die Naturfotografengymnastik auf jeden Fall!