Ich hatte schon immer ein Problem damit, Leuten etwas abzuschlagen. "Leute" können dabei selbst Personen sein, die mir eigentlich wurscht sind: Kollegen, Kunden, Taxifahrer, Passanten, was weiß ich. Egal, wie unbequem und blöd es gerade für mich ist oder wie sehr es meinen eigenen Interessen zuwieder läuft, wer irgend etwas von mir will, muss in den meisten Fällen eigentlich nur fragen. Ich bin Wachs in den Händen von fast jedem, der mich um irgend etwas bittet. Darauf bin ich nicht stolz, im Gegenteil, oft fühle ich mich dabei ziemlich wurstig.
Und jetzt das: mein Sohn, mein zauberhaftes Baby, will den ganzen Tag lang irgend etwas, und ich muss Nein sagen. Nein ist gerade mein meistgebrauchtes Wort. Mein Sohn möchte z.B. noch mehr Käse auf seine Nudeln, am liebsten die ganze Tüte! Nein. Er will nicht mit seinem Lego spielen, sondern mit meinem iphone. Nein. Er will die Fernbedienung, während ich gerade versuche, für L. sein Bundesligaspiel aufzunehmen. Nein. Er will in den Hundefutternapf greifen und sich ein Frolic angeln. Nein. Er will die Schere, er will meine Schilddrüsentabletten, er will L.s Weinglas, er will die hauchdünne geerbte Porzellantasse, er will das Küchenmesser, er will die Spülmaschinentabs. Nein, nein, nein, nein. Sage ich nein, fängt er an zu brüllen. Nicht lange, aber auch 20 Sekunden reichen schon, um mir durch und durch zu gehen. Es ist nicht nur, dass es mir sowieso so gegen die weiche Natur geht. Oder dass keine Mutter aufblüht, wenn ihr kleines Kind weint. Oder dass das Geräusch schon physisch so zermürbend ist. Oder dass ich gerade sowieso schon meine ganze klägliche Energie brauche, um irgendwie den Tag mit Baby und zum Platzen dickem Neunmonatsbauch zu überstehen und mein Nervenkostüm in Fetzen hängt. Es ist auch, dass ich mich manchmal frage, ob das wirklich alles so richtig ist - es geht ja nicht immer nur um seine Sicherheit, sondern oft auch darum, dass ich etwas einfach nicht will. Ich habe mein Baby schrecklich lieb, ich sehe es lieber glücklich strahlen als dicke Tränchen über sein Gesicht kullern. Ich bin mir sowieso so gut wie nie zu 100% sicher, und durchdringendes Babygebrüll hat eine Art, meine sowieso schon nicht auf Granit gebaute Entschlusskraft auszuhölen wie einen Schweizer Käse.
So, Mutti, und jetzt reiß Dich mal zusammen. Du bist hier der Boss. Sag Dir das immer wieder, wenn es sein muss, achtzig mal am Tag. Du tust der kleinen Wurst keinen Gefallen, wenn Du ihn damit durchkommen lässt. Er ist nicht nur besser dran ohne Küchenmesser und Schilddrüsentabletten, er ist auch besser dran, wenn er jetzt lernt, dass er nicht alles haben kann, was er will. Und glaub mir: nicht nur für Dich ist das hier gerade eine Kraftprobe, auch für ihn. Er sucht sich nicht umsonst gerade jeden Tag hundert Kriegsschauplätze, auf denen er seine Mäusekräfte gegen Dich erproben will. Das klingt vielleicht nicht nach weichgezeichneter Duzi-Duzi-Babywelt, aber so ist es. Du brichst ihm auch nicht das Herz, wenn Du gerade von der weichen, immer lieben Wunscherfüllungsmaschine zur eisernen Lady wirst - nach einer halben Minute sind die Tränen versiegt, und er strahlt schon wieder und findet etwas anderes, was ihn glücklich macht. Und um sein Glück geht es hier: in dieser Welt hat niemand eine Chance auf Glück, der nicht akzeptiert, dass andere auch einen Willen haben, dass dieser Wille dem eigenen manchmal entgegen läuft, und dass es manchmal ein bisschen dauert, bis wir bekommen, was wir wollen. Dass wir es manchmal auch gar nicht bekommen. Und dass nicht der Recht bekommen muss, der am lautesten brüllt.
Uff. Damit zurück in den Kampf.
pumpkin basque cheesecake
vor 1 Woche