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Dienstag, 4. November 2014

Nei-en, verdammt noch mal.

Ich hatte schon immer ein Problem damit, Leuten etwas abzuschlagen. "Leute" können dabei selbst Personen sein, die mir eigentlich wurscht sind: Kollegen, Kunden, Taxifahrer, Passanten, was weiß ich. Egal, wie unbequem und blöd es gerade für mich ist oder wie sehr es meinen eigenen Interessen zuwieder läuft, wer irgend etwas von mir will, muss in den meisten Fällen eigentlich nur fragen. Ich bin Wachs in den Händen von fast jedem, der mich um irgend etwas bittet. Darauf bin ich nicht stolz, im Gegenteil, oft fühle ich mich dabei ziemlich wurstig.

Und jetzt das: mein Sohn, mein zauberhaftes Baby, will den ganzen Tag lang irgend etwas, und ich muss Nein sagen. Nein ist gerade mein meistgebrauchtes Wort. Mein Sohn möchte z.B. noch mehr Käse auf seine Nudeln, am liebsten die ganze Tüte! Nein. Er will nicht mit seinem Lego spielen, sondern mit meinem iphone. Nein. Er will die Fernbedienung, während ich gerade versuche, für L. sein Bundesligaspiel aufzunehmen. Nein. Er will in den Hundefutternapf greifen und sich ein Frolic angeln. Nein. Er will die Schere, er will meine Schilddrüsentabletten, er will L.s Weinglas, er will die hauchdünne geerbte Porzellantasse, er will das Küchenmesser, er will die Spülmaschinentabs. Nein, nein, nein, nein. Sage ich nein, fängt er an zu brüllen. Nicht lange, aber auch 20 Sekunden reichen schon, um mir durch und durch zu gehen. Es ist nicht nur, dass es mir sowieso so gegen die weiche Natur geht. Oder dass keine Mutter aufblüht, wenn ihr kleines Kind weint. Oder dass das Geräusch schon physisch so zermürbend ist. Oder dass ich gerade sowieso schon meine ganze klägliche Energie brauche, um irgendwie den Tag mit Baby und zum Platzen dickem Neunmonatsbauch zu überstehen und mein Nervenkostüm in Fetzen hängt. Es ist auch, dass ich mich manchmal frage, ob das wirklich alles so richtig ist - es geht ja nicht immer nur um seine Sicherheit, sondern oft auch darum, dass ich etwas einfach nicht will. Ich habe mein Baby schrecklich lieb, ich sehe es lieber glücklich strahlen als dicke Tränchen über sein Gesicht kullern. Ich bin mir sowieso so gut wie nie zu 100% sicher, und durchdringendes Babygebrüll hat eine Art, meine sowieso schon nicht auf Granit gebaute Entschlusskraft auszuhölen wie einen Schweizer Käse.

So, Mutti, und jetzt reiß Dich mal zusammen. Du bist hier der Boss. Sag Dir das immer wieder, wenn es sein muss, achtzig mal am Tag. Du tust der kleinen Wurst keinen Gefallen, wenn Du ihn damit durchkommen lässt. Er ist nicht nur besser dran ohne Küchenmesser und Schilddrüsentabletten, er ist auch besser dran, wenn er jetzt lernt, dass er nicht alles haben kann, was er will. Und glaub mir: nicht nur für Dich ist das hier gerade eine Kraftprobe, auch für ihn. Er sucht sich nicht umsonst gerade jeden Tag hundert Kriegsschauplätze, auf denen er seine Mäusekräfte gegen Dich erproben will. Das klingt vielleicht nicht nach weichgezeichneter Duzi-Duzi-Babywelt, aber so ist es. Du brichst ihm auch nicht das Herz, wenn Du gerade von der weichen, immer lieben Wunscherfüllungsmaschine zur eisernen Lady wirst - nach einer halben Minute sind die Tränen versiegt, und er strahlt schon wieder und findet etwas anderes, was ihn glücklich macht. Und um sein Glück geht es hier: in dieser Welt hat niemand eine Chance auf Glück, der nicht akzeptiert, dass andere auch einen Willen haben, dass dieser Wille dem eigenen manchmal entgegen läuft, und dass es manchmal ein bisschen dauert, bis wir bekommen, was wir wollen. Dass wir es manchmal auch gar nicht bekommen. Und dass nicht der Recht bekommen muss, der am lautesten brüllt.

Uff. Damit zurück in den Kampf.

Donnerstag, 30. Mai 2013

Würmchen, das wirst du nicht von mir haben.

Dass ich kein Talent zum Schlafen habe, hatte ich schon ein paar mal erwähnt. Nicht jetzt, nicht vor der Schwangerschaft, nicht als Teenie, nicht als Kind und wohl auch nicht als Baby. Wobei: meine Mutter hat mir schon mal erzählt, ich hätte gut und früh durchgeschlafen, aber das legte sich dann schnell wieder, sobald ich mein Bett aus eigener Kraft verlassen konnte. Dann kam ich nämlich jede Nacht zu ihnen ins Bett gekrochen. Und sie haben mich gelassen, also habe ich so schnell nicht wieder damit aufgehört und irgendwann meinen kleinen Bruder damit angesteckt, so dass wir dann zu viert waren. Ja nun! Irgendwann mit neun oder so habe ich dann meine Leidenschaft für Gruselgeschichten entdeckt, und dann war es bestimmt bis zum Alter von 15 auch wieder nichts, denn nachts wurde ich vom Schlafen abgehalten von den unaussprechlichen Dingen in meinen Schränken, unter meinem Bett, vor meinem Fenster oder auf dem Weg zum Bad. Wir wohnten in einem Häuschen am Stadtrand, direkt hinter unserem Gartenzaun begannen die Maisfelder und Wassergräben, und es kam tatsächlich vor, dass abends wer ums Haus schlich und sich überlegte, hier einzubrechen oder auch nicht, vor allem, wenn meine Eltern aus waren. Es gab damals Nächte, in denen ich drei Stunden damit zubrachte, irgendwelchen Müll in meine Tagebücher zu schreiben. Es gab auch Nächte, da hielt ich den Schalter der Nachttischlampe feste umklammert, weil ich dachte, wenn ich erst etwas höre und dann im Dunkeln nach ihm tasten muss, und dann umklammert auf einmal eine schleimige fremde Hand mein Handgelenk... ihr könnt es euch in etwa vorstellen. Das Gegrusel hörte schlagartig auf, als wir umzogen in ein anderes Haus. Das gibt es für mich ganz oft: Häuser und Wohnungen, in denen ich mich grusele, und Wohnungen, in denen ich jahrelang keinen Gedanken an Einbrecher, schleimige Hände und grässliche Fratzen verschwende. In denen ich kurz vorm Einschlafen noch wirklich fiese Filme gucke, dann "Uaaaaaaah, Nachti" sage und extrem entspannt zu Bett gehe. Schlafen kann ich trotzdem nicht, mein Hirn findet einfach seit meiner frühesten Kindheit immer wieder neue Gründe, mich lieber wach zu halten. Die Bücher, die ich nachts zwischen zwei und fünf schon durchgelesen habe, würden bestimmt drei große Expedit-Regale füllen. Jetzt gerade sind es Hormone. Hormone und ab und zu ein Handkantenschlag von Ndogo. Die Ärztin sagt, na gut, dann weiß ich ja jetzt schon mal, was auf mich zukommt in ein paar Wochen. Schlafmittel wollte ich nie nehmen, und jetzt darf ich nicht. Sie hat Recht: das mit den Horrorgeschichten über nur vier Stunden Schlaf pro Nacht für junge Eltern sehe ich entspannt, mehr habe ich nur selten. Übel wird es allerdings, wenn Ndogo und mein Hirn nicht parallel arbeiten, sondern sich mit der Nachtwache ablösen: von zehn bis zwölf lässt mich Fusselhirni nicht einschlafen, dann ist Ndogo dran, und kaum gibt der Ruhe, ist Fussel wieder dran.

Auch deshalb! habe ich mich so gierig auf das französische Buch und das andere französische Buch gestürzt, in denen viel von einfachen Tricks die Rede ist, mit denen Kinder durchschlafen können. Jaja, ich weiß, so was habt ihr alle gelesen, ausprobiert, hat nicht geklappt, es kommt wie es kommt usw., aber mich beruhigt das gerade so sehr, ich werde es auf jeden Fall versuchen, und das bisschen Beruhigung tut mir gerade ganz gut in diesem Chaos hier aus Handwerkergerumpel, Lärm und dem unfassbaren Dreck, den die Hunde bei diesem unfassbaren Wetter machen. (Ich rechne dieses Jahr mit Schnee ab September.)

Und so sieht der Plan aus:
Das (den? die?) Babybay von Ls. Freund flanschen wir an meiner Seite ans Bett an. Dort bleibt es für die ersten drei Monate, nicht länger. In diesen drei Monaten schläft Würmchen darin, in unserer Nähe. So muss ich nicht jedes Mal aufstehen, wenn er mich braucht, und das ist auch gut für mich - denn wenn ich erst in die Puschen geschlüpft bin, das Licht angemacht habe, zwei irritierte Hunde gestreichelt und zurück ins Körbchen geschickt habe, in sein Zimmer nebenan geschwankt bin, dort mit ihm im Stillsessel Platz genommen habe usw., dann bin ich garantiert wach, und Fusselhirn hat gewonnen. Allerdings werde ich auch dann schon die Kunst der französischen "Pause" üben. Die Theorie sagt, dass Babys unruhig schlafen. Sie bewegen sich, knöttern und können sogar mal im Schlaf weinen - wobei Studien mit Schlaflabortechnik belegen, dass sie trotzdem unfassbarerweise schlafen. Ob sie wirklich wach sind und hungrig oder nicht, erkennt man daran, dass sie nicht nach wenigen Minuten einfach wieder still sind und weiter ratzen. Verwechsele ich so ein im-Schlaf-Geknötter mit echter Not und nehme das Kind hoch und fange an, es zu "beruhigen", dann wecke ich es in Wahrheit auf. Damit reiße ich es aus seinem eigenen Schlafrhythmus und bringe es durch den Tüdel. Lasse ich es einen Moment warten, gebe ich ihm die Chance, weiterzuschlafen, und bringe ihm außerdem bei, dass ich zwar immer da bin, wenn er mich braucht, aber mich nicht mit dem kleinsten Piep von ihm anknipsen lasse wie eine Nachttischlampe (minus schleimige Klaue). Mit dem (der?) Babybay wird das Abwarten bequemer, ich liege einfach neben ihm und zähle innerlich bis hundert, statt mit winzigen roten Äuglein und kalten Füßen über seinem Bett zu lauern. Wenn er dann drei Monate alt ist, kommt er nach nebenan. Sein Kinderzimmer ist nur durch eine Tür mit Glaseinsatz von unserem Schlafzimmer getrennt, die können wir die ersten Monate gerne auch noch auflassen, auch wenn das bedeuten wird, ab und zu ein Hundetier vom Stillsessel zu vertreiben. (Wenn es Zeit wird für die drei rausgesägten Stäbe im Gitterbett, werden sie das auch lieben. Frauchen hat eine Höhle gebaut! Nur für uns! Oh je.)

Liebe Damen und Abkürzungsdamen, ich präsentiere: das erste Baby, von dem schon sechs Wochen vor der Geburt bombenfest steht, dieses Kind wird schlafen. Genau!

Guter Plan, finde ich.

Und weil das Thema Ratgeber und Erziehungstipps usw. jetzt unwiderruflich Einzug gehalten hat, bekommt es eine eigene Kategorie: die Würmchenschule.