Mit dem absoluten Gegenstoß hab ich das bisher schmerzhafteste Kapitel des Denkens aufgeschlagen. Ich hab keinen blassen Schimmer wie ich diese abstrakMit dem absoluten Gegenstoß hab ich das bisher schmerzhafteste Kapitel des Denkens aufgeschlagen. Ich hab keinen blassen Schimmer wie ich diese abstrakte Form in eine halbwegs verständliche Besprechung bekommen soll. Ich dampfe das, auf die mir wesentlichen Aspekte, für das grobe Grundverständnis ein. Zizek macht sich auf, zur Neubegründung des dialektischen Materialismus (semiotisch, politisch). Was soll das heißen? Er verknüpft Hegels Idealismus mit dem Materialismus, rührt Lacan unter und lässt alles im dialektischen Prozess zur höheren Synthese aufsteigen. Zur Auflockerung oder Verwirrung (wie man es denn sehen mag) streut er Film- und Literaturanalysen zu den gesetzten Themen ein und lässt uns an Musiktheorie teilhaben. Für weiteres Verständnis und Hinschmelze sorgen Ausführungen über Kant, Althusser, Heidegger, Kierkegaard, Badiou, Strauss-Levi…..
Hegels Dialektik: Prozess, durch Widersprüche, der Selbstentfaltung und Selbstrückkehr. Die These stellt eine bestimmte Aussage oder Position dar. Die Antithese ist eine entgegengesetzte Aussage oder Position, die der These widerspricht (Negation, kann aber auch eine leere Geste sein). Diese beiden Gegensätze werden dann durch eine Synthese aufgehoben, die eine neue Aussage oder Position darstellt, die über die ursprünglichen Gegensätze hinausgeht. In der Synthese können neue Erkenntnisse gewonnen und eine höhere Form des Denkens und der Realität erreicht werden. Beim Prozess der Negation, kann man sich das tatsächlich so vorstellen, dass man aus seinem eigenen Verlust hervorgeht. Ich verwandle mich in mein Gegenteil, entfremde mich, um danach völlig verändert zu mir zurück zu kehren. Das geschieht ganz abstrakt, auf Ebene des Denkens und der Erkenntnis oder materiell. Wenn z.b ein politisches System (Paradigma) nicht mehr funktioniert und hier eine neue Prozessbewegung her muss. Das Begehren (nach Lacan) treibt diesen dialektischen Prozess voran. Es müssen Störelemente vorhanden sein, die die Harmonie stören, Hindernisse, die einen ständigen Prozess der Anpassung erfordern. Das System funktioniert immer auf antagonistische Weise. Die Gefahr des Verfalls ist treibende Kraft. Entscheidender Punkt: Eine ursprünglich Einheit, die zerfällt gibt es nicht. Sie hat nie existiert.
Idealismus nach Hegel: Ideen, Gedanken, Begriffe durchdringen die materielle, objektive Welt. Er glaubt an eine Einheit aus Denken und Sein. Dies gestaltet sich bei Hegel immer dynamisch. Daher ist sein dialektischer Prozess der Entwicklungsmotor von Ideen, Geschichte, Natur und Geist (Normen, Gesinnheit). Statik ist Hegel völlig fremd. Ideen und Materie stehen in einem ständigen Wechselspiel miteinander.
Materie scheint in einigen Denkströmungen als etwas Außenstehendes betrachtet zu werden, das unabhängig von unseren Vorstellungen existiert. Sie wird passiv begriffen. Im dialektischen Materialismus befindet sich Materie in einem ständigen Prozess der Selbstentfaltung. Zizek sagt, dass wahrer Materialismus ein Materialismus ohne Materialismus sei, in dem die substantielle Materie in einem Geflecht rein formaler, ideeller Ideen verschwindet. Es geht um die immanente Materialität der ideellen Ordnung selbst. „Am Beginn des Materialismus steht die Verletzung der alltagssprachlichen Regeln und somit ein Denken gegen die Sprache.“ „Die Position des dialektischen Materialismus ist, dass es selbst in der Leere keinen Frieden gibt.“
Sowohl Geist, Ideen und Materie, die Realität an sich, sind von Lücken und Widersprüchen geprägt. Diese Unvollständigkeit der Realität gibt uns die Chance radikal freie Handlungen zu vollziehen. Genau in den Fehlstellen sind revolutionäre, unvorhersehbare Veränderungen und Handlungen möglich.
Hegel wird gerne vorgeworfen mit dem Begriff des „Absoluten“ ein bestimmtes Endziel im Blick zu haben. Nope. Das Absolute ist bei Hegel der Prozess um zu sich selbst zurückzukehren. „Das Absolute fügt keine tiefere, substantiellere Dimension hinzu - es schließt lediglich die (subjektive) Illusion in die (objektive) Wahrheit selbst mit ein. Der absolute Standpunkt lässt uns erkennen, dass Fiktionen (und Phantasmen) zur Realität gehören und dass die richtige Wahl erst nach der falschen getroffen werden kann.“ Interessant ist hier, dass das Subjekt seine Subjektivität (Bewusstsein) erst am Ende des Prozesses erlangt. Dh. Es kann immer nur nachträglich seine Realität und Wissen konstruieren. Wir sind also immer mit dem Rückspiegel unterwegs und können nur rückwirkend die Ursachen für ein Ereignis setzen. Wichtig hierbei ist: „Hegels Antimobilismus: Die Dialektik hat nicht das Geringste mit der historischen Rechtfertigung einer bestimmten Politik oder Praxis auf einer bestimmten Stufe der historischen Entwicklung zu tun, einer Rechtfertigung die dann auf einer späteren, höheren Stufe verschwinden kann. Ein vergangenes Phänomen kann zwar ein notwendiges Moment für die Entstehung einer neuen Form sein, seine Rolle wird jedoch sofort unsichtbar, sobald das Neue da ist.“
Ein weiterer spannender Aspekt im dialektischen Prozess, der mit der Entstehung des Subjekts aus seiner Entfremdung zusammenhängt ist folgender: „Der dialektische Prozess ist keine synthetische Einheit als Rückkehr zum Einen verstandene Aufhebung der Entfremdung. Hegels Versöhnung ist keine Überwindung der Entfremdung sondern eine Versöhnung mit der Entfremdung selbst. Das Subjekt erkennt sich als seine eigene Dezentriertheit. Es gibt keine ursprüngliche Einheit vor dem Verlust, das Verlorene wird rückwirkend durch den Verlust konstituiert und die wahrhaft dialektische Versöhnung besteht darin, die Konsequenzen dieser Rückwirkung vollkommen anzunehmen.“ Anhand eines Kulturbeispiels wird dies deutlich: Zwang der englischen Sprache als kultureller Kolonialismus, durch den die wahre Identität zensiert wird. Versöhnung mit der englischen Sprache als Befreiung auffassen. Der Sieg über die Kolonialisierung liegt nicht in der Rückkehr zu einer authentischen vorkolonialen Substanz und schon gar nicht in der Synthese von moderner Zivilisation und vormodernen Ursprüngen, sondern im vollständigen Verlust dieser vormodernen Ursprünge. Die neue Identität wird mühelos auf Englisch formuliert - die englische Sprache wird danaturiert und verliert ihre privilegierte Verbindung.
Zizek konzentriert sich stark auf die Macht der Sprache. Wie diese ein Loch in die Realität gräbt und die Dimension des immateriellen öffnet.
Lacan und die Psychoanalyse dürfen mit mit den Ausführungen zum Realen, Symbolischen, Imaginären, dem ojet a, dem Mangel und Begehren, der Fixierung (Steckenbleiben), Nicht-Alles, Es gibt kein Geschlechtsverhältnis, Mehrlust, perverse Opfer und Subjektive Destitution die Erschließung des Hegelkosmos vertiefend unterstützen. Sextalk garantiert!
In Anlehnung an die Bedeutung des Symbolischen, geht Zizek auf Hegels „Nacht der Welt“ ein. „Die ontologische Notwendigkeit des Wahnsinns, beruht auf der Tatsache, dass es unmöglich ist, direkt von der rein tierischen Seele, die in unserer natürlichen Umgebung verwurzelt ist, zur normalen Subjektivität überzugehen, die in ihrer virtuellen symbolischen Umgebung wohnt - der verschwindende Vermittler zwischen den Beiden ist die wahnsinnige Geste des radikalen Rückzugs aus der Realität, die den Raum für symbolische Neukonstitution eröffnet. Hegel hat den radikalsten Versuch unternommen den Abgrund des Wahnsinns im Kern der Subjektivität zu denken“. Der Wahnsinn des Übergangs zum Symbolischen selbst. Der Wahnsinn der Vernunft selbst.
Die Quantenphysik wird für die Verbindung zwischen dem Realen und Symbolischen bemüht.
Das Unbewusste ist strukturiert wie eine Sprache. Hierzu geht er auf die weibliche Hysterie ein, moderne Kunst, Literatur-wie der ästhetischen Selbstauslöschung, in Thomas Manns „Tod in Venedig“, Musik und den Traum ein.
Wer Gott oder sich selber gerne fallen sieht, ist hier richtig. Das Buch bespricht viele Beispiele für Versionen der Negation und Hindernisse die im dialektischen Prozess möglich und entscheidend sind. Hin zum absoluten Wissen (Geist). Es ist der Moment, in dem die Geschichte des Geistes (oder der Vernunft) zu einem umfassenden Verständnis ihrer selbst kommt. Frei von Illusionen! (siehe meine Anmerkungen zum Absoluten).
Für mich waren die Inhalte fast alle komplett neu. Ich hatte mich lediglich zuvor etwas mit Lacan beschäftigt. Dies kann ich auch nur jedem raten, der auf die wahnsinnige Idee kommt dieses Buch lesen zu wollen. Ohne dezentes Lacan Grundverständnis, hast Du keine Chance hier was zu kapieren. Ich bin so schon ewig und drei Tage mit Recherche beschäftigt gewesen. Das Buch wirkt etwas wirr in der Komposition. Häufig wird erst sehr spät klar was die Ausführungen sollen und worauf sie abzielen. Zizeks Beispiele hangeln sich doch sehr stark am Symbolischen entlang. Er greift aktuelle Diskurse auf, die dem Kulturbetrieb dienen. Er verpasst dadurch den materialistischen Gedanken zu entfalten und labert lieber über Rollenzuschreibungen und gesellschaftliche Normen. Für mich dennoch eine Bereicherung des Lernprozesses, auch wenn er den dialektischen Materialismus irgendwie selbst etwas verfehlt. Wenn ich das kritisieren kann, hat er anscheinend wenigstens dafür gesorgt, dass ich verstanden habe, was er sagen wollte :-D...more