30 Jahre KTM Duke: Von der Supermoto zum Biest

Die Duke-Baureihe hat KTM aus der Insolvenz zum größten Motorradhersteller Europas verholfen. Sie entstand 1994 aus einem Supermoto-Umbau einiger Mitarbeiter.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
KTM Duke

(Bild: KTM)

Lesezeit: 14 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

1991 war ein einschneidendes Jahr für KTM, die einst recht erfolgreiche österreichische Motorradschmiede – immerhin schon mehrfacher Motocross- und Enduro-Weltmeister – musste Insolvenz anmelden. Schon im Januar 1992 erwarb Stefan Pierer die Marke KTM. Er hatte sich auf Sanierungen von Firmen spezialisiert, die er dann aufspaltete und mit Gewinn weiterverkaufte. Es ist wohl dem mit ihm befreundeten zweifachen Motocross-Weltmeister und KTM-Werksfahrer Heinz Kinigadner zu verdanken, dass Pierer sich entschied, zu bleiben und KTM zu neuer Größe zu führen. Mit dem LC4-Motor ("LC" für flüssigkeitsgekühlt) war bereits ein moderner und im Rennsport erfolgreicher Einzylinder im Programm, der die Enduros und Motocrosser der Marke in verschieden Hubraumklassen antrieb. Darauf ließ sich aufbauen, und so kam 1994 die Duke-Baureihe auf den Markt.

Zwar verkaufte KTM im ersten Geschäftsjahr unter Pierer immerhin rund 6000 Motorräder, aber es handelte sich ausschließlich um Geländebikes. Dem neuen Besitzer wurde klar, dass sie auch Straßenmotorräder brauchten, um signifikant wachsen zu können. Zu dem Zeitpunkt hatten ein paar Mitarbeiter der Entwicklungsabteilung privat eine 600er-Enduro zu einer Supermoto umgebaut. Das "Supermotard"-Fieber war aus Frankreich über die Grenzen ins restliche Europa geschwappt. Ursprünglich waren es für Rennstrecken, die sowohl über Dreck, als auch Asphalt führten, auf 17-Zoll-Felgen und große Bremsanlage umgerüstete Motocross-Maschinen. In Mattighofen erkannte die neue Geschäftsleitung ihre Chance, den Supermoto-Umbau in Serie zu bringen. Der 609-cm3-Motor mit gut 50 PS diente als Antrieb, auch Rahmen, Tank und Sitzbank wurden von der Enduro übernommen, allerdings waren der Vorderradkotflügel tiefer gesetzt, die Federwege gekürzt, die Gabelbrücken geändert, breite 17-Zoll-Felgen mit Straßenreifen aufgezogen und eine Vierkolben-Bremszange mit 320 mm großer Bremsscheibe ans Vorderrad geschraubt.

Fehlte noch ein unverwechselbares Design. Zu der Zeit hatte Stefan Pierer bereits Kontakt zu einem jungen, aufstrebenden Designer namens Gerald Kiska im nahen Salzburg aufgenommen. Er beauftragte ihn, eine eigenständige Optik für die erste Supermoto von KTM zu entwerfen. Kiska überlegte sich zwei entscheidende Dinge, die bis heute jede KTM auszeichnen. Zum einen entschied er, dass die KTM-Markenfarbe Orange sein sollte. Zu der Farbe inspirierte ihn, wie er später in einem Interview erzählte, eine knallorange Boxer-BMW auf einer Messe in den späten 1980er-Jahren. Das zweite prägende Merkmal aller KTM ist das polarisierende Design. Kiska wollte die Leute zum Hingucken zwingen. Bei der neuen Supermoto war es die kleine Cockpitverkleidung mit Doppelscheinwerfer, die ihr etwas Insektenhaftes verlieh. Tatsächlich wurde heftig und kontrovers über den Look diskutiert, heute gilt die erste Duke als Ikone. Im Cockpit selbst gab es zwei Rundinstrumente: Einen Tacho mit immer größer werdenden Zahlen und einen Drehzahlmesser in dem "Beats per Minute" geschrieben stand.

30 Jahre KTM Duke (5 Bilder)

Mit der 620 Duke fing 1994 die Erfolgsstory an. Sie war eigentlich eine Enduro mit 17-Zoll-Felgen samt StraĂźenreifen, gekĂĽrzten Federwegen und groĂźer Bremsanlage.

Kurz vor der Präsentation auf der EICMA fehlte noch der Name für das neue Modell. Der Projektleiter Wolfgang Felber hatte sich eine Liste mit Namen ausgedacht, unter anderem stand dort auch "Duke". Damit wollte er eines seiner Idole aus Kindheitstagen ehren, den britischen 500er-Weltmeister Geoff Duke. Felber selbst hätte eigentlich den Modellnamen "Stellar" bevorzugt, aber sein Vorgesetzter hatte wenige Tage vor der Präsentation die Liste auf einem Stück Papier überflogen und sich spontan für "Duke" entschieden. Dass dies auch die englische Bezeichnung für "Herzog" war, führte später immer wieder zu Missverständnissen. Wenn man bedenkt, wie lange und aufwendig heute Modellnamensfindungen ablaufen, war "Duke" ein echter Schnellschuss. Auf der Messe war die Duke, buchstäblich erst in letzter Minute fertig geworden, umlagert wie kaum ein anderes Modell.

Als die Duke 1994 auf den Markt kam, schlug sie ein wie eine Bombe. Diese erste serienmäßige Supermoto war handlicher als alles, was sonst noch so auf der Straße herumfuhr. Sie erforderte einen Motocross-Fahrstil mit aufrechter Sitzhaltung am breiten Lenker: hart anbremsen, kurveninneren Fuß vorstrecken, Motorrad tief unter sich drücken und in spektakulärem Drift durch die Kurve. Der kräftige Motor beschleunigte das Fliegengewicht von 153 kg nachdrücklich und ermöglichte maximal knapp 170 km/h. Um dem LC4-Einzylinder bessere Manieren beizubringen, erhielt er als erster KTM-Motor eine Ausgleichswelle, die die Vibrationen zwar nicht wirklich eliminierte, aber deutlich reduzierte. Die Duke war etwas sensationell Neues und zog auf kurvigen Strecken sogar an den PS-starken Sportmotorrädern vorbei. Die erste Auflage von 500 Stück der Duke war 1994 in kürzester Zeit ausverkauft, trotz des für damalige Verhältnisse hohen Preises von 14.990 Mark.

Nur zwei Jahre später folgte eine Überarbeitung zur Duke 620 E. Der LC4-Motor erhielt einen E-Starter, bislang musste er mit Kickstarter – der auch noch auf der linken Seite angebracht war – zum Leben erweckt werden. Das bedeutete zwar acht Kilogramm mehr Gewicht, aber der Komfort, auf Knopfdruck starten zu können, war es den Kunden wert. Außerdem war die Sitzhöhe auf 860 mm gesunken, eine zusätzliche Ölpumpe machte die Schmierung zuverlässiger und die Breite des Hinterreifens schrumpfte auf 150 mm. 1998 erhielt die Duke eine Hubraumerhöhung auf 625 cm3, was aber nur minimal mehr Leistung bedeutet.

KTM Duke

Ein Jahr später startete die Duke II mit einem neuen Design. Es war kantiger und die beiden runden Projektionsscheinwerfer waren nun übereinander in der kleinen Verkleidung angeordnet. Sie verabschiedete sich zudem vom seitlichen Enduroauspuff und packte stattdessen zwei Endschalldämpfer unter die Sitzbank. Ungedrosselt leistete der Motor 55 PS. Die Aluminiumschwinge war neu entwickelt und der Federweg vorne auf 140 mm gekürzt. Die Duke 640 rollte nicht mehr auf Drahtspeichen- sondern auf Gussfelgen, was nicht nur zu einem Trockengewicht von 145 kg, sondern auch zu einer noch höheren Agilität beitrug. Die Verkaufszahlen der Duke entwickelten sich erstaunlich gut, denn Supermotos lagen jetzt voll im Trend.

2008 folgte mit der 690 Duke die dritte Generation. Ihr Design entfernte sich immer weiter von der Enduro, wurde noch kantiger und niedriger. Nun hielt ein Gitterrohrrahmen alles zusammen und auch die Schwinge war eine offene Streben-Konstruktion. Auffallend waren die aggressiv wirkende Lampenmaske mit weiterhin zwei Scheinwerfern übereinander und ein Bugspoiler, hinter dem der kurze, aber fette Endschalldämpfer herauswuchs, denn die Auspuffanlage verlief nun unter der Ölwanne. Der 653-cm3-Einzylinder drückte mit 65 PS noch heftiger an, da machte das um drei Kilogramm gestiegene Gewicht nichts aus. Zum ersten Mal legte KTM mit der 690 Duke R eine sportlichere Variante auf, deren Hubraum auf echte 690 cm3 wuchs und 70 PS bei 7500/min leistete. Die Federung wurde etwas straffer abgestimmt.