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Samstag, 28. Juni 2025

Meine 26. Kalenderwoche 2025

"Wir leben in einer wahnwitzigen Zeit, 
die Irren machen die Regeln. 
Da müssen wir hin und wieder 
aus dem Fenster klettern."
.....
"Das ist der Narzissmus unserer Kultur: 
Die Opfer werden für die Täter 
verantwortlich gemacht."
Cornelia Funke, Schriftstellerin & Philanthropin

"Will ich etwas nicht, ist es auch nicht da."
Vera King
"Anhänger von Trump sind fasziniert davon, 
dass man sich vielem, 
was nicht in das eigene Weltbild passt, 
einfach entledigen kann. Per Dekret."
.....
"Klimakrise? Gibt’s nicht. 
Oder kümmert uns nicht, 
wir machen weiter wie bisher. 
Diese machtvolle Willkür  
ist für viele beeindruckend."
Stephan Lessenich, Sozialforscher

Tina von Tinaspinkfriday kombiniert immer wieder gerne zu ihren Outfits Armreifen (die trägt sie lieber als Halsketten!) Das hat mich ermuntert, meine Frida-Swatch am linken Arm ab- und Armreifen anzulegen. Immerhin haben sich bei mir über die Jahrzehnte auch so einige gesammelt ( Halsketten aber viiiel mehr ). Und siehe da, ich habe sie den ganzen Tag getragen, ohne dass es mich gestört hat. Da hab ich mich doch gleich auf dem Weg zum Supermarkt in dem Spiegel "Auch du bist schön" unterwegs fotografiert.


Wenn es nachts unter zwanzig Grad abkühlt ( 14°C in der Nacht auf Sonntag ), kann ich den Sommer gut willkommen heißen. Den Temperaturen tagsüber gehe ich aus dem Weg, da kenne ich nichts.


Die Temperatur am Sonntag ist mir letztendlich besser bekommen als die zwölf Grad weniger am Tag darauf. Ist der Taupunkt zu hoch, geht es mir nicht gut. Da kann es noch so viel winden, ja stürmen, wie am Montag bei uns...

Bei der Morgenlektüre bin ich auf diese Dame gestoßen und war dann doch fast den Tränen nahe, als ich mir ihren Titel von 1965, dem Gewinnerlied der deutschen Schlagerfestspiele in Baden - Baden, angehört habe. Ja, was ist aus den Träumen geworden, aus dem "Himmel der Liebe"? Ein ganz gewöhnliches Menschenleben mit ganz gewöhnlichen Hochs & Tiefs und nun zuletzt auch wieder viel Sehnsucht.-
Am Abend hat sich der Herr K. bei den Münchnerinnen gemeldet, und ich hab davon ein Foto bekommen. Ich hab mir auch eingebildet, dass in Kölle die Luft  abends wieder angenehmer geworden war.


Den Gartenschlauch aus dem Keller zu schleppen und ihn auf der Terrasse anzuschließen - bis dato hatte ich mich davor gedrückt. Aber die Annabelles machten - vor allem nach dem heftigen Wind am Vortag - einen schlappen Eindruck, das schrie nach Wasser. Madame im Bad hat mit gut zugeredet, damit ich es in aller Herrgottsfrühe in den Garten geschafft habe. 13°C hatte es da: Herrlich!



Ich entrümpele auch wieder heftigst. Dabei sind vier große Comic-Sammelbände von Donald Duck & Co, zwei Asterixbände und alle meine Prinz Eisenherz-Schätze aus meiner Studentinnenzeit, immerhin acht Stück, übers Nachbarschaftsnetz in andere Hände gelangt. Darüberhinaus habe ich vierzig Bücher zur Bücherbude gebracht, ausgelesen oder für langweilig befunden. Zwei Tage später, als ich mit der 2. Fuhre dort war, war so gut wie alles weg. Das ist doch mal wieder ne gute Bilanz! - Aber ich hab arg Staub geschluckt bei der Aktion. Und Staub zusammen mit viel Schweiß - da schweigt des Sängers Höflichkeit! Ich hab eine funktionierende Dusche.



Weil ich nun schon mal am frühen Morgen unterwegs war, habe ich auch einen Einkaufsbummel auf unserer Hauptverkehrsader unternommen. Was ist das bei 20°C herrlich! So mag ich "Summer in the City".























Bei solchen Temperaturen kann ich abends auch in meiner Lieblingsecke im Wintergarten sitzen und lesen, hoch über mir die Mauersegler. Wenn es  dann zu dämmern anfängt, zickezackeln über mir "meine" Fledermäuse ( ich habe einen Kasten für sie an der Hauswand ) und schnappen sich die Mücken, vor denen ich mich so fürchte ( ich kriege schnell allergische Reaktionen auf die Stiche ). So kann ich getrost bei offenem Fenster schlafen.-
Tinas Impuls hat auch über die nächsten Tage angehalten, und es hat mir richtig Spaß gemacht, meinen linken Arm zu schmücken.




Weil sie so ausnehmend wohlschmeckend waren, habe ich mir noch mal eine Kiste Aprikosen aus Kalabrien per CrowdFarming kommen lassen. Vom rheinischen "Erzeuger" stammen meine ersten Johannisbeeren, natürlich an Johanni gekauft ( noch so ein Lieblingsobst, das erst einmal in Quark gewandert ist ).

Am Mittwoch hatte ich mich mit einer ehemaligen Kollegin zum Essen in der Pizzeria an meiner Straßenkreuzung verabredet. Da konnte frau es bei knapp 30° C wegen der Westwindströmung gut aushalten. Frau sitzt außerdem mitten im Veedels-Geschehen und erfährt allerhand, auch, dass meine persische Friseurin glücklicherweise bereits in der Türkei ist und auf einen Weiterflug nach Deutschland wartet. Sie war schon die ganze Zeit in meinem Kopf. Am nächsten Tag hätte ich 'nen Termin zum Haareschneiden bei ihr gehabt: Schietegal! Die brandgefährliche Lage in der Region ist es mir nicht.



Am Freitag wollte ich mir die Aktion des Hauses der Architektur auf dem Kölner Neumarkt anschauen und mich auch auf einen der roten Stühle ( das Modell aus dem geliebten Jardin du Luxembourg in Paris! ) setzen. Doch dort wurden schon die Bühne und die Bier-Pavillons für das Sommerfest des Reiter-Korps Jan von Werth zum 100-jährigen Bestehen aufgebaut. Schade! Wo ich schon mal an dieser megaverkehrsumtosten Ecke der Stadt war, habe ich gleich in meinem Jalousien - Stammgeschäft ( Kundin seit zwanzig Jahren habe ich da erfahren 🤣 ) eine Verdunklung für das Enkelinnen-Schlafzimmer bestellt.



Tina hat mich nicht nur erfolgreich zum Tragen von Armschmuck inspiriert, sondern auch den Wunsch nach einer gelben Jacke ordentlich gefüttert. Eine solche habe ich doch tatsächlich auch en d'r Sity gefunden. Und sogar im für mich richtigen Gelbton, ich bin nämlich Typ "Zitrone". Die wird mein Sommerfavorit für kühlere Tage, das weiß ich jetzt schon und kommt grade recht zur Blogparade der "Nicht-nur-Best-Ager".




Um Andreas Fotofragezeichen zu beantworten: Zum perfekten Sommertag gehört für mich der Eiskaffee & Obst in Hülle und Fülle, und ich bin - Frage 2 - dank einer reizenden Sonnenallergie "Team Schatten", jetzt schon seit fünfzig Jahren, fällt mir auf. Da musste ich mir seinerzeit nach unangenehmen Erfahrungen ( juckende Quaddeln am ganzen Körper ) am Golf von Korinth einen regenbogenbunten Schirm für den Strand kaufen. Der war jahrzehntelang mit auf Reisen. Aber froher war ich, wenn wir Strände mit Bäumen gefunden haben. Die haben dann fünf ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️  von mir bekommen und manch angepriesener "schönster Strand in..." in den alternativen Reiseführern hatte das Nachsehen.

Nun verlinke ich mich mit dem Samstagsplausch bei Karminrot, mit dem Monatsmotto bei Niwibo, mit dem Mosaic Monday von Heidrun, den Fotofragezeichen der Zitronenfalterin, bei Elke/Valomeas 1000 Teile raus und der Blogparade der Ü30-Bloggerinnen. Ich wünsche euch ein schönes Wochenende!
                                                             

Donnerstag, 7. September 2023

Great Women #349: Laura Ashley

Natürlich habe ich den Laden der Laura Ashley, ganz prominent am Eingang zur Kölner Hohe Straße gelegen, regelmäßig aufgesucht, die Kataloge der Home Kollektion gesammelt und  Pre Cuts für die Puppenausstattung meiner kleiner Tochter gekauft. 1987 bei der Neueinrichtung meines Hauses bediente ich mich dann bei den Streifen - Stoffen der "Charlston"-Kollektion. Und bei der Auflösung des Ladens 1998 habe ich dann sogar ein Kleid erstanden. Nicht geblümt und aus schwarzem Samt für den Abschlussball meiner Tochter. So viel zu mir und der Beziehung zur heutigen Protagonistin...

Logo von 1972


"Was du als Designer entwirfst, ist ein Ausdruck deiner selbst."

Laura Ashley kommt am 7. September 1925, also heute vor 98 Jahren, als Laura Mountney im Haus ihrer Großmutter in 31 Station Terrace im Ortsteil Dowlais der südwalisischen Stadt Merthyr Tydfil zur Welt. Der Ort gilt wegen seiner zahlreichen Stahlwerke damals als "Welthauptstadt des Eisens und des Stahls". Allerdings wird nach der Weltwirtschaftskrise, also bald nach Lauras Geburt, die Stahlproduktion vor Ort eingestellt. Die umgebende Landschaft ist da schon erheblich zerstört.

Die Familie gehört den Strict Baptists an, einer Spielart dieser Glaubensrichtung, die an der calvinistischen Interpretation der christlichen Erlösung festhält. Lauras Eltern Margaret Elizabeth Davies und Stanley Lewis Mountney, ein Beamter, leben & arbeiten eigentlich in London, und die Mutter ist nur zur Geburt Lauras in ihr Elternhaus zurückgekehrt, um Beistand bei ihrer Mutter zu finden. 

Nach Laura werden die Mountneys noch drei weitere Kinder bekommen, darunter eine weitere Tochter, Mary, und zwei Söhne, Trevor und Francis. Die Lebensumstände der Familie sind eher bescheiden zu nennen. Laura wächst zunächst im recht disziplinierten Haushalt der Großmutter auf, die wohl ihr Interesse an textiler Gestaltung weckt und Basiskenntnisse vermittelt, ebenso eine Tante.

Obwohl die Sprache der Baptistengemeinde - "Hebron" in Dowlais heißt das Bethaus -, der die Großmutter angehört, walisisch ist, ist Laura ihrer nicht mächtig, liebt aber ihren Klang und besonders den Gesang, aber auch die einfache Kleidung der Gemeindeangehörigen aus gestärkter Baumwolle oder Leinen und schlicht geschnitten. Die streng baptistische Kindheit Lauras hat noch etwas Edwardianisches, obwohl die Zeit längst vorbei ist. 

1939
Bis 1932 besucht das Mädchen die Marshall's School in Merthyr Tydfil, dann zieht es zu den Eltern nach London, wo es den Unterricht in der Elmwood School in Stadtteil Croydon fortsetzt. Die Sommer- & Osterferien verbringen die Mountney- Kinder aber immer bei der Großmutter in Wales.
Als der Zweite Weltkrieg erklärt wird, bricht Lauras Mutter mit den Kindern dorthin auf. Aber da so viele andere Kinder auch evakuiert werden, um sie in Sicherheit vor den Bombenangriffen der Nazis zu bringen, findet Laura keinen Platz an einer allgemeinbildenden Schule mehr. Alternativ beschließt die Familie, dass sie die Aberdare Secretarial School, sechs Kilometer von Merthyr Tyddfil entfernt, besuchen soll. 

Die Ausbildung ist 1942  abgeschlossen, und Laura kehrt nach London zurück, um den Vater und ihren Onkel im Haushalt zu unterstützen. Während dieser Zeit lernt sie den gleichaltrigen Ingenieur Bernard Ashley in einem Jugendclub in Wallington kennen. 

Ab März 1944 wird sie beim Women’s Royal Naval Service (WRENS) zur Telegrafistin ausgebildet und schließlich der Allied Naval Combined Expeditionary Force der Briten & Amerikaner zugewiesen. Einen großen Einfluss auf ihre Vorstellung von guter Kleidung hat nun auch ihre Uniform. Laura später dazu: 
"Die Uniform war aus marineblauem Gabardine von sehr guter Qualität und man konnte sie  gut bügeln und mit einem sauberen weißen Baumwollhemd, Kragen und Krawatte, einem hübschen, frechen kleinen Hut und bequemen Schuhen aus schwarzem Leder tragen."
Es beginnt eine sehr aufregende, prägende Zeit für die 19jährige: Im April des Jahres wird sie in einen kleinen Ort bei Portsmouth und dort in ein stattliches Herrenhaus gebracht, wo sie auf viele, teils erfahrenere Telegrafistinnen stößt. Was Laura nicht weiß: Sie ist jetzt an dem Ort, an dem die Planungen laufen für den D-Day, den Tag, an dem die Landung alliierter Truppen in der Normandie stattfinden soll.

Dort unterliegt sie strikten Auflagen - das Gelände darf z.B. nicht verlassen werden, Post wird zensiert und muss zu einer Deckadresse geschickt werden - und hat einen anstrengenden Dienst in drei Schichten in einem Kellerraum unter dem "War Room". In diesem sammeln sich in den nächsten Wochen viele wichtige Personen wie der König, George VI., und Winston Churchill zu Treffen mit den Generälen Eisenhower & Montgomery und Admiral Ramsey. Geheimhaltung ist angesagt. Am 6. Juni ist es dann so weit, und wenig später meldet sich Laura freiwillig für den Dienst auf dem Kontinent. Da sie noch ein "Zaunkönig" ist ( i.e. unter 21 Jahren alt ), ist dafür das Einverständnis ihrer Eltern nötig.

1944
Nach zwei Wochen Heimaturlaub und kleidungsmäßig bestens ausgestattet tritt die junge Frau ihre Reise von Portsmouth nach Frankreich an. "Unser Alter, die Aufgabe, zu der wir berufen waren, und die Aufregung trugen dazu bei, dass wir vollkommen zuversichtlich waren. [... ] wir dachten immer, wir wären auf der Gewinnerseite", wird Lauras Freundin Margaret Boothroyd später zu diesem Abenteuer sagen. 

Erste Station ist Granville, wo unter den primitivsten Bedingungen sofort die Telegrafenarbeit aufgenommen wird. Aber bald geht es auf eine unvergessliche Fahrt nach Paris. In einem Schloss in La Celle-Saint-Cloud  finden die Fernschreiber und ihre Bedienerinnen ihren Platz zwischen rosa - goldenen Möbeln, und es ist für Laura und die anderen jungen Frauen mit Passierscheinen in ihrer Freizeit möglich, sich in der Pariser City den Luxus bei Chanel, Elizabeth Arden usw. anzuschauen. Beeindruckt ist sie auch von der Freude & Dankbarkeit der Franzosen gegenüber den jungen Engländerinnen, die sie mit Zigaretten, Schokolade und Kekse bedenken.

Nach fast einem Jahr in Paris wird Laura nach Brüssel versetzt, wo die Arbeit viel anstrengender und zeitaufwändiger ist, im September 1945 dann nach Chatham in der Grafschaft Kent. Schließlich erhält Laura eine Position als Sekretärin beim National Federation of Women's Institute, während Bernard Ashley nach Indien versetzt wird, so dass die Beiden nur miteinander korrespondieren können. 1949, nun 24 Jahre alt, heiraten sie schließlich & endlich in London. 

Eine Inspiration zum Quilten erhält Laura durch eine Ausstellung traditionellen Kunsthandwerkes ihres Instituts im Victoria & Albert Museum. Als Laura nach kleinen Stoffflicken mit viktorianischen Mustern sucht, die sie für eigene Patchwork-Arbeiten brauchen könnte, stellt sie fest, dass es solche nicht zu kaufen gibt. Die winzigen Blumenmuster auf den antiken Quilts werden nicht mehr hergestellt, also fertigt Laura Ashley ihre eigenen an und so entsteht ihr lebenslanges Anliegen, alte Drucke und Muster wiederzubeleben.

In ihrer Wohnung in der 83 Cambridge Street in Pimlico beginnt sie mit Druckversuchen auf dem Küchentisch. Unterstützt von ihrem Mann und und einem Einsatz von zehn Pfund erwirbt sie einen Siebdruckrahmen, einige Farben und ein paar Meter Leinen und beginnt, Stoffstücke mit viktorianischen Motiven zu versehen.

Audrey Hepburn in "Ein Herz und eine Krone"
(1953)
Als das Paar 1953 einen Urlaub in Italien verbringt, fällt ihnen auf, dass die Italienerinnen kleine Halstücher tragen, wie es auch Audrey Hepburn in dem Film "Ein Herz und eine Krone" vorführt. Zuhause steigen sie in die Produktion solcher sweater scarfs  ( unter dem Namen Nickytücher habe ich sie kennengelernt und geschätzt ) ein. Zuvor bekommt Laura im September aber noch ihre erste Tochter Jane, ein Jahr später ihren ersten Sohn David.

Bernard bietet die sweater scarfs den Kaufhäusern "Heal's" und "Liberty's" an, wo sie so erfolgreich verkauft werden, dass Bernard, wie Sohn Nick später erzählen wird, grade von "Liberty's" zu Hause angekommen ist, als am Telefon schon nachgeordert wird.

Als Nebenlinie fängt Laura an, auch Geschirrtücher, Tischsets, Teewärmer usw. mit "Victorianas" zu bedrucken. Damit begeistert sie auch den amerikanischen Markt. 1955 zieht das Paar aufs Land, Bernard gibt seinen Job in der Stadt auf und in einer ehemaligen Poststation in Kent werden die ersten fabrikmäßig hergestellten Stoffe der Ashleys produziert - knapp 300 Meter pro Tag! Zu bemerken ist, dass weder Laura noch Bernard Textildesigner sind und nicht zeichnen können. Stattdessen recherchiert sie nach geeigneten Mustern, verbringt viel Zeit in Bibliotheken und Museen, studiert alte Musterbücher - das  ist ihre "einzigartige Idee", die ihrer Schwäche für den Stil vergangener Zeiten entgegen kommt.

Das Unternehmen firmiert ursprünglich unter dem Namen Ashley Mountney, aber Bernard findet, dass "Laura Ashley" besser zu der Art der Produkte passt, die sie herstellen.

Nachdem auch Nick 1957 geboren worden ist, übersiedelt die Familie 1960 nach Mittel-Wales, in ein altes Haus neben der Railway Station in Carno, welches schließlich das Zentrum eines multinationalen Geschäftes werden soll. Dort wird 1965 auch das vierte Kind der Ashleys, Emma, zur Welt kommen.

Als Laura sich in den Kopf setzt, einen eigenen Laden zu haben, wird der 1961 in der 35 Maengwyn Street, Machynlleth, Montgomeryshire, eröffnet. Im Laden verkauft man lokal produzierten Honig und Spazierstöcke sowie die Produkte des Paares. Hier arbeitet Laura mit einer Näherin zusammen, um ihre ersten Versuche in der Mode zu unternehmen und Hemdenkittel und Gartenschürzen herzustellen, wiederum so erfolgreich, dass das in der Londoner "Sunday Times" erwähnt wird. Aufgrund des Erfolgs mit der Schürze expandiert Laura jetzt in die Modebranche. 

1966 produziert sie ihr erstes Kleid, vermischt dabei beliebte Stile und Muster der klassischen englischen Romantik, ruft damit die Erinnerung an die Kindheit auf dem Lande bei ihren Kundinnen hervor und schafft so eine pastorale Idylle für die Städterinnen. Ihre Vorstellungen von der Kleidung der Farmersfrauen mag reichlich naiv sein, wichtiger scheint zu sein, dass es historische Vorbilder gibt. Außerdem glaubt Laura fest daran, dass Frauen lieber in Kleidung schön aussehen wollen, statt nach dem neuesten Schrei gekleidet zu sein.

"Da ich so abgeschieden lebte", erzählt Laura einmal, "habe ich mich nicht von städtischen Einflüssen beeinflussen lassen und wir haben uns einfach auf unsere eigene Art entwickelt." -  "Es geht nicht wirklich um Inspiration, was man als Designerin macht, ist ein Ausdruck seiner selbst, ich liebe Musik und Malerei und ich bevorzuge das Landleben." Ein anderes Mal sagte sie: "Die Idee, vier Babys zu haben, zu kochen, zu nähen und sich um den Haushalt zu kümmern, passte perfekt zu mir." Und zur  Mode bemerkt sie: "Ich mag keine flüchtigen Dinge, ich mag Dinge, die für die Ewigkeit bleiben".

"Swinging London" versus Laura-Ashley - Romantik

Der Erfolg des Laura-Ashley-Stils ist umso erstaunlicher, als sich im Laufe der 1960er Jahre die Modetrends dramatisch verändert haben hin zu Miniröcken und gradlinig geschnittenen Kleidern & Mänteln, gern mit geometrischen Mustern. Doch bald kommt dann auch der Hippie - Stil auf. Und zu dem passen die prairie dresses der Laura Ashley perfekt.

1967 erwerben die Ashleys den Bahnhof in Carno dazu, der zwei Jahre zuvor geschlossen worden ist. 1968 dann eröffnen sie ein erstes Geschäft in London, in der Pelham Street in South Kensington. Es zeichnet sich aus durch Naturholzböden, Schränke und Theken, lackiert in tiefem Blaugrün, altmodische Stühle - insgesamt herrscht dort ein Hauch eleganter Ungezwungenheit. Läden in Shrewsbury und Bath folgen 1970.

Innerhalb eines Jahrzehnts werden es dann mehr als 70 Geschäfte auf der ganzen Welt sein, und sie generieren einen Umsatz von 25 Millionen Pfund. Alleine in London verkauft Laura Ashley 4000 Kleider pro Tag. Dies führt zum Bau einer neuen Fabrik in Newtown, Montgomeryshire. Günstig wirkt sich auf diese Entwicklung die Arbeitsmarktsituation in Wales aus, denn die Ashleys können Schafscherer und Farmersfrauen als Arbeitskräfte gewinnen. Laura ist sich dessen bewusst, dass ihr Erfolg auf diesen Menschen beruht, und bemüht sich um eine freundliche Arbeitsatmosphäre. Das Unternehmen überholt so die Landwirtschaft als größter Arbeitgeber in der walisischen Region und beschäftigt in seiner Blütezeit mehr als 13.000 Mitarbeiter weltweit. Zunehmend wird allerdings die Umweltverschmutzung ein Problem, die die immer größer werdende Fabrik ab Mitte der 1970er-Jahre verursacht und gegen die die örtlichen Wasseraufbereitungsbehörden beginnen, Klage zu erheben.

Einen erneuten push bekommt das Unternehmen der Ashleys durch eine Reihe betörend "natürlicher" Werbeaufnahmen von Jane Ashley, der ältesten Tochter, mittlerweile fast zwanzig Jahre alt. 

"In der Familie herrschte eine starke Arbeitsmoral. Bei jeder Mahlzeit wurde über Geschäfte gesprochen. Meine Eltern hatten einen echten Macher-Ethos", so Jane. 

Janes amateurhafter Fotostil vermittelt, dass echte Menschen diese altmodischen Outfits tragen. Und tatsächlich sind die Fotomodelle Freunde & Geschwister der Fotografin, die die Maxi-Baumwollkleider und Lochstickerei-Blusen vorführen, die Janes Eltern zu Multimillionären machen werden. 

Auch die übrigen Kinder der Ashley sind übrigens im Geschäft involviert: David gestaltet die Shops, Nick & Emma sind im Design -Team.

Während die Designerin Laura Ashley ihr millionenschweres Geschäft mit Franchise-Unternehmen weltweit weiterentwickelt, lebt die Frau Laura Ashley zurückgezogen. Sie trägt lange bis in ihre Vierziger ihre eigenen Designs, und wenn sie in ihrem Privatflugzeug fliegt, ist dessen Innenraum immerhin mit ihren Stoffen dekoriert. 

Wegen Steuerproblemen weichen die Ashley nämlich aus nach Frankreich, wo sie ein Schloss - das Château de Remaisnil - erworben haben. Ein Haus an der Côte d'Azur, auf den Bahamas, in Palm Beach sowie ein Stadthaus in Brüssel und die Villa "Rhydoldog House" nahe Rhaeadr in Wales ergänzen das Portfolio des Familienbesitzes. Zum familieneigenen Luxus gehört neben all dem noch eine Yacht, denn Bernard segelt gerne. Laura, die Angst vor Wasser hat, erträgt ihre Seekrankheit, um ihrem Mann seine Freude nicht zu verderben.

Der transparente Rock, in dem die Kindergärtnerin Diana Spencer zum ersten Mal als königliche Verlobte 1981 fotografiert wird, stammt aus Laura Ashleys erster Londoner Boutique. Das Foto trägt "immens zum Image bei" und schafft die Grundlage für die amerikanische Expansion. Diana bleibt auch als Gemahlin des Prinzen von Wales eine der Bewundererinnen des Stils. 

Eine von Lauras Vorstellungen, durch ihren Glauben geprägt, ist die von einem gemütlichen Zuhause und dem Zusammenhalt in der Familie ( männliche Kneipengänger hasst sie, und dass ihre ältesten Kinder sich schnell der Familie entziehen, mag sie gar nicht ). Da scheint es nur konsequent, dass ihr Unternehmen 1981 auch eine Home-Kollektion in einem aufwändig gestalteten, multilingualen Katalog präsentiert. Im Jahr darauf veröffentlicht das Unternehmen das "Laura Ashley Book of Home Decorating" und präsentiert  Lauras Schwelgereien in Chintz mit "Country Roses", Rüschen und entsprechenden Tapeten.

Die "Charleston" - Kollektion
Bauchschmerzen bereitet ihr, als ihr Sohn Nick erfolgreich die "Charleston"-Kollektionen von Vanessa Bell ( siehe dieser Post ) und Duncan Grant aus den 1930er Jahren kopiert. 

Doch die künstlerischen, farbenfrohen Charleston-Designs holen das Unternehmen aus einer vorübergehenden Flaute heraus. Die Unternehmerin in Laura lässt es schweigend durchgehen: 

"Je mehr sie über den Lebensstil von Bloomsbury im Allgemeinen und von Charleston im Besonderen las, desto mehr machte sie sich Sorgen, dass sich in eine Gruppe einmischen würde, deren moralische Werte weit von ihren eigenen entfernt waren", meint ihre Biografin Anne Sebba. 

Laura fühlt sich nämlich in ihrer Überzeugung bestätigt, dass ausschweifender Sex völlig falsch sei, und dass der tiefste Wunsch der meisten Menschen letztendlich darin bestehe, "eine Familie & einen Garten zu haben und so komfortabel wie möglich zu leben".

Wie schon erwähnt, trägt Laura ab ihren Vierzigern keine eigene Kleidung mehr: Ihre unvermeidlichen Strickjacken kauft sie bei Yves St. Laurent oder in späteren Jahren bei Sonia Rykiel und schneidet die Etiketten heraus, weil sie befürchtet, ihr Mann könne es mitbekommen und darüber verärgert sein, dass sie modisch fremd geht. Überhaupt ist sie jemand, der sich in der Ehe sehr konventionell verhält.

Als Lauras sechzigster Geburtstag bevorsteht, reist sie in die Cotswolds zum Cottage ihrer ältesten Tochter, um sich dort feiern zu lassen. Am frühen Morgen des nächsten Tages stürzt sie eine Treppe hinunter, erleidet eine Hirnblutung und wird ins Warwick Hospital gebracht und schließlich in die neurologische Abteilung des Walsgrave Hospital in Coventry verlegt. Ohne das Bewusstsein wiederzuerlangen, stirbt Laura Ashley am 17. September 1985 dort. Zu ihrem Begräbnis auf dem Friedhof von St. John the Baptist, in Carno kommen über zweitausend Menschen.

Zu diesem Zeitpunkt ist Laura  Ashley stellvertretende Vorsitzende des Unternehmens. Sie hinterlässt eine Firmengruppe, die kurz vor dem Börsengang steht und  einen Wert von 270 Millionen Pfund hat. Die Aktien werden etwa einen Monat später ausgegeben. 1987 gründen ihr Mann und die Kinder eine Stiftung, die Laura Ashley Foundation. 

Mit den aufkommenden 1990er Jahren verlässt das Unternehmen seine Glückssträhne. Versuche, die Verluste aufzufangen, die sich ab 1991 abzeichnen, scheitern. In den nächsten Jahrzehnten erlebt die Firmengruppe also eine sehr wechselhafte Geschichte. 1993 hat sich Bernard Ashley bereits zurückgezogen ( 2009 stirbt er ), diverse Eigentümer folgen. 

2020 wird bekannt gegeben, dass die Investmentfirma Gordon Brothers den Markennamen, die Archive und die geistigen Eigentumsrechte von Laura Ashley übernimmt und eine neue Modekollektion mit der jüdischen Designerin Batsheva Hay aus New York herausbringen wird, die schon länger mit dem Stil experimentiert. In diesem Jahr gibt es eine Kooperation mit Lucky Brand. Inzwischen ist der Laura-Ashley-Stil auch sonst wieder ganz schön en vogue und das Unternehmen gedeiht wieder. Und auch an Laura wird sich wieder erinnert...




Donnerstag, 18. Mai 2023

Great Women #337: Nur Jahan

 


Vierzehn solcher Collagen habe ich inzwischen einem Great-Women-Post vorangestellt, vierzehn mal vierundzwanzig Frauen habe ich hier in meinem Blog porträtiert, seit ich die Anregung von Barbara Bee Anfang Oktober 2014 aufgegriffen habe. Heute reise ich tief in die Geschichte und auf einen anderen Kontinent. Ich möchte euch mit Nur Jahan, einer Mogulkaiserin des 17. Jahrhunderts auf dem indischen Subkontinent, bekannt machen, auf die ich wegen ihrer modischen Einflüsse auf indische Stickkunst aufmerksam geworden war.

Nur Jahan wird geboren am 3. 5. 1577, und zwar in einer Karawanserei nahe bei der Stadt Kandahar im Safawidenreich ( dem heutigen Afghanistan ), auf der Flucht der Familie aus Persien nach Indien, damals Hindustan. Sie ist das vierte Kind von Asmat Begam und ihrem Ehemann Mirza Ghias Beg, einem hochgebildeten Aristokraten. Zuvor ist die Familie unterwegs überfallen und ihres restlichen Vermögens mit Ausnahme zweier Maultiere beraubt worden. Ein Kaufmann, mit dem sich der Vater anfreundet, nimmt die Familie auf und bürgt für sie vor Gericht. Mirza Ghias Beg glaubt, dass die Geburt des Mädchens die Situation der Familie zum Besseren ändern wird und er gibt der Neugeborenen den Namen Mehr-un-Nissa oder "Sonne unter den Frauen".
Nur Jahan umgibt später der Mythos des "Miracle Girls", denn um ihre Geburt ranken viele Legenden. Im frühen 18. Jahrhundert schafft Khafi Khan, der an einem Mogulgericht arbeitet, mit dem Bild des verlassenen Babys eine herzzerreißende Geschichte: Da die Eltern mittellos sind, fragen sie sich, wie sie das kleine Mädchen unter diesen Umständen groß ziehen können und entscheiden sich fürs Aussetzen. Sie wickeln das Baby in ein schönes Stück Stoff und lassen es unter einem Baum zurück. Doch nach kurzer Zeit ist die Mutter untröstlich und fordert ihren Mann auf, es zurückzuholen. In einer anderen Version findet der Karawanenführer das Kind. Ein italienischer Quacksalber namens Manucci, der später über zwei Jahrzehnte im Mogulreich verbringt und sich über Nur Jahans Macht & Reichtum wundert, verfasst einen Bericht, in dem er ganz in der Tradition des Christentums dieser Geburt des Mädchens fast biblische Züge verleiht. Es geht immer darum zu verstehen, wer ist diese Frau, und zu erklären,  warum sie so besonders ist. Schreiber und Chronisten haben  sonst so über die Geburten von Königen geschrieben, mit denen immer ein Wunder verbunden wird.
Fatehpur Sikri, von Kaiser Akebar zwischen 1572-1585 erbaut
Es wird tatsächlich besser für die Familie, denn der Vater, nachdem er in Fatehpur SikriEnde des 16. Jahrhunderts die Hauptstadt des Mogulreiches, am Hofe vorgestellt worden ist, erhält unter Kaiser Akbar einen Posten als Staatsdiener im Range eines Mansab. Bald darauf wird er sogar Diwan ( Schatzmeister ) von Kabul, einer fruchtbaren und strategisch bedeutsamen Gegend im Norden des Reiches. Später - nach dem Tod Kaiser Akbars - wird er sogar Wazir und den Ehrentitel "Itimad-ud-Daula" ( "Stütze des Staates") erhalten, was so viel wie einem Finanz- & Premierministertitel entspricht.  

Mirza Ghias Beg stammt aus einer Familie wirklich prominenter Schriftsteller und Dichter und ist ein Meister im Kalligrafieschreiben, in der Kunst des Verfassens von Briefen, damals keine gewöhnlichen Dinge. Die Mutter ist eine Frau von großem Temperament, wie es Dokumente festhalten. 

Mirza Ghias Beg ist auch schon am Hof ​​von Shah Tahmasp, dem damaligen regierenden Kaiser in Persien, in einer sehr wichtigen Position gewesen. In den späten 1570er Jahren hat es dann im Land bürgerkriegsartige Konflikte, u.a. zwischen Schiiten und Sunniten, und viel politische Unsicherheit gegeben, bis der Schah 1576 gestorben ist. Wohl hat Nur Jahans Vater auch Schulden und keine anderweitige familiäre Unterstützung, weshalb er sich zu dem Schritt entschließt, das Land zu verlassen und nach Indien aufzubrechen. Dort herrscht unter Akbar dem Großen eine besonders freie Atmosphäre, in der Menschen aus der ganzen Welt willkommen sind, insbesondere Künstler, Kalligraphen, Experten für Persisch. Die Familie schließt sich deshalb einer großen, aristokratischen Karawane an, unter die sich aber auch Sufis, Prediger und Jesuiten-Missionare mischen, und die über die Seidenstraße zieht.

Der Familienhintergrund bringt einige Traditionen mit und so ist es Nur Jahans Vater auch an einer guten Ausbildung und anderen sinnvollen Aktivitäten seiner Tochter gelegen. Sie wird in Kunst, Literatur, Tanz und Musik unterwiesen und lernt neben Persisch auch Arabisch und spricht beide Sprachen fließend. Sie ist auch eine versierte Bogenschützin und wird sich später am Hof großen Respekt erwerben, als sie vier Tiger mit sechs Pfeilen aus ihrem Howda auf einem Elefanten tötet. 

Allerdings ist das Klima in Fatehpur Sikri in Nordindien auch liberaler als anderswo, und es wird viel weniger Wert auf die übliche Mädchenerziehung gelegt wie das Erlernen des Korans und Umgangsformen höfischer Art. Das ist u.a. auch auf die Interaktion mit lokalen hinduistischen Traditionen zurückzuführen.

Es gibt zudem mystische Sufi-Praktiken. Es existiert folglich eine Art von  Multikulti - Gesellschaft mit diversen Religionen, einer beliebigen Anzahl von Dialekten & Sprachen, also vielen Formen des Seins und Glaubens.

Nur Jahan wächst zu einem außergewöhnlich schönen und dazu fähigen jungen Mädchen heran. Quellen der damaligen Zeit beschreiben sie als lebhaft, verführerisch und überzeugend. Im Alter von 17 Jahren wird sie 1594 mit Ali Quli Khan Istajlu, ebenfalls ein Flüchtling aus Persien, der sich dem Hof ​​von Kaiser Akbar angeschlossen hat, als Anerkennung für dessen herausragende Leistungen im Tatta- Feldzug vermählt. Nach einem weiteren Feldzug wird Ali Quli Khan Istajlu 1599 der Titel Sher Afghan verliehen und ist ein Günstling des Prinzen Salim, Sohn von Kaiser Akbar. Nur Jahan wird in dieser Ehe 1605 ihr erstes und einziges Kind geboren, die Tochter Ladli.

Ihr Ehemann fällt allerdings beim Prinzen in Ungnade, nachdem Salim sich gegen seinen Vater Kaiser Akbar verschworen hat (der Streit hat nichts mit Nur Jahan zu tun). 

1605, nachdem Akbar gestorben ist und Salim unter dem Namen Nuruddin Muhammad Jahangir Padshah Gazi, "Licht des Glaubens, Herrscher der Welt, Hoher Herr" Kaiser wird, begnadigt er Ali Quli, versetzt ihn aber weit weg nach Burdwan in Bengalen- halb Ehre & Belohnung, halb Strafe, da Bengalen für sein ungastliches Klima, Hungersnöte, Trockenheit wie Überschwemmungen und Typhus berühmt - berüchtigt ist. 

Begal ist die erste Provinz, die unter die Mogulherrschaft gekommen ist, die östlichste Provinz und das Land des bengalischen Tigers. Nur Jahans Umgang dort bringt ihr vielfältige Erfahrungen mit der Natur, Essen & Kleidung, Religion, aber auch die Verbesserung ihrer Fähigkeiten als Jägerin. Sie wird in Bengalen zu der Frau, die ihre beeindruckende reife Persönlichkeit ausmacht, denn dort kann sie ganz anders leben & Erfahrungen sammeln als all die Frauen im Harem, die herumlungern und darauf warten, dass der Kaiser kommt, und sie ihm seine Vergnügungen erfüllen. Das mag auch ihre Außergewöhnlichkeit erklären. Die ist umso unglaublicher, als sich das alles in einer feudal-patriarchalischen Gesellschaft vollzieht.

1607 kommt ihr Mann bei einem Aufruhr gegen den Gouverneur von Bengalen ums Leben, und die junge Frau wird mit dreißig Jahren Witwe. 

Nach dem Tod ihres Mannes wird Nur Jahan durch Kaiser Jahangir an den Hof in Agra beordert und in den Dienst seiner Stiefmutter, der Witwe Akbars, Ruqayya Sultan Begam, gestellt. Da ihr Ehemann sich Feinde gemacht hat, bedeutet es mehr Sicherheit für die junge Witwe und ihre kleine Tochter, als Hofdame zu leben. Zwischen der Begam und ihrer Hofdame entwickelt sich eine herzliche Beziehung, da diese die Talente der jungen Frau zu schätzen weiß.

In den nächsten Jahren im Harem der Moguln, dem Zenankhana (Damenkammer), nutzt Nur Jahan ihre Fähigkeiten im Sticken und Nähen und wird eine bei den Moguldamen sehr beliebte "Designerin" werden. 

Sie selbst kleidet sich sehr einfach – hauptsächlich in Weiß, wie es bei den Witwen auf dem Subkontinent üblich ist –, fertigt aber für die Damen des Harems bunte Brokate, Gewebe und Seide an. Ihre Entwürfe setzen oft Modetrends, frau kann sie als erste Stilikonie Indiens betrachten. 

So gebührt ihre die Ehre für die Erfindung des Dhaka-Musselin-Stoffes, der einst von königlichen Persönlichkeiten der indischen Geschichte wie auch später in europäischen Königshäusern sehr geschätzt wird. Es heißt, dieser Musselin soll so fein und zart gewesen sein, dass ein ganzer sechs Meter langer Sari zusammengefaltet in eine Streichholzschachtel gelegt werden konnte. Auf sie zurück geht der dudámí ( ein geblümter Musselin),  das peshwáz ( ein vorne offenes Kleid ), das Frauen auch das Reiten & Jagen ermöglicht. Sie entwirft ein neues Design für Schleier. Für die geschätzten Goldornamente entwickelt sie ganz neue elegante Muster. Auf sie zurück geht auch das Nurmahali, ein preiswertes Hochzeitskleid mit Brokat, ein Set für Braut und Bräutigam ärmerer Schichten, auf nur 25 Rupien Kaufpreis festgesetzt. Ihre Mutter hat die Rosenessenz einst entdeckt, aber das Verdienst, sie zu destillieren und bekannt zu machen, steht Nur Jahan zu.

Erst vier Jahre später nach ihrem Einzug in den Harem begegnen sich Nur Jahan und der Kaiser im März 1611 zum ersten Mal auf einem Nouruz - Fest in Agra. Er soll sich auf der Stelle beim Blick in ihr unverschleiertes Gesicht verliebt haben. Trotz ihres Alters entscheidet er sich für die Frau, die für ihre außergewöhnliche Schönheit, ihren Charme und ihre Anmut bekannt ist, und sie wird am 25. Mai 1611 nach 19 anderen Ehefrauen seine letzte Ehefrau. Jetzt wird aus Mehr-un-Nisa Nur Mahal, "Licht des Palastes", vier Jahre später dann Nur Jahan "Licht der Welt".
Nur Jahan mit einem Porträt ihres Mannes
Auch um den Beginn ihrer Liebe ranken sich Legenden, besonders im 19. Jahrhundert. Eine besonders charmante will ich hier erzählen.
 
Sie soll sich in der Zeit zugetragen haben als Jahangir, der Kaiser, noch Prinz Salim gewesen ist. Eines Tages will er ins Bad, hat aber noch zwei wertvolle Tauben in der Hand. Auf dem Weg trifft er auf eine wunderschöne Frau, die Blumen und einen Schwan beobachtet. Er fragt sie: 'Ich gehe ins Bad, macht es Ihnen etwas aus, diese Tauben für mich zu halten? Ich nehme sie wieder an mich, wenn ich zurückkomme .' Und sie sagt : 'Ja, ich werde sie halten.' Als er zurückkommt, sieht er, dass  nur noch eine Taube in ihrer Hand ist. Und er fragt: 'Wo ist meine Taube?' Und die Schöne antwortet: 'Nun, sie ist weggeflogen.' - 'Wie ist das passiert?'  Da streckt sie zweite Hand mit der zweiten Taube aus und lässt die Taube fliegen. 'So', kommentiert sie das Geschehen. Da verliert Prinz Salim sein Herz an ihren Witz, an ihre geistige Brillanz und an ihren offensichtlichen Mut.
Diese Taubengeschichte wird immer und immer wieder wiederholt und prägt sich in den Hirnen der Menschen ein und werden zur Legende. Sie ist zudem romantisch, was die Menschen schätzen, und betont die besondere Liebe zwischen Nur Jahan und Jahangir.
Jahangir kommt am 31. August 1569 in Fatehpur Sikri als Salim Chisti, benannt nach einem Sufi - Heiligen, zur Welt. Seine Mutter ist die Hindu-Prinzessin Mariam uz-Zamani, eine der Frauen Kaiser Akbars. Im Rahmen seiner klassischen, fürstlichen Erziehung ist Jagen sehr, sehr wichtig und Kraftaufbau, aber auch Poesie, Mathematik, Kalligrafie. Besonders fasziniert ist der Prinz von der sogenannten Mughal-Miniaturmalerei, die ihre frühen Formen in der Zeit des ersten Mogul-Kaisers gefunden hat. Er selbst malt ebenfalls. Doch als Fürst muss er sich vielen anderen Dingen widmen, als da sind militärische Vernetzungen mit anderen Adligen & Eroberungen, die administrative Wendigkeit erfordern. Wie fast alle Mogulprinzen revoltiert er gegen die Autorität seines Vaters Akbar, dem Großen. Schließlich vergibt dieser ihm, und er wird sein Nachfolger als 4. Mogul - Kaiser Indiens. Er ist ein sehr experimentierfreudiger, sehr verspielter Herrscher, ganz anders als sein Vater, vielseitig und philosophisch, obwohl Analphabet und mit einer wunderbaren Bibliothek ausgestattet. Er ist aber auch dem Alkohol und dem Opium verfallen, leidet zudem unter Asthma, was immer im Vordergrund in den Beschreibungen seines Lebens steht.
Jahangir ist ein herumziehender Herrscher. Nur in den ersten zwei Jahren ihrer Ehe lebt das Paar in Agra. Nur Jahan zieht mit ihrem Mann besonders gerne nach Kaschmir. Das Unterwegssein, außerhalb der Haremsmauern, scheint die Co - Souveränität von Nur Jahan begünstigt zu haben, denn sie ist nicht gezwungen wie die Frauen vor ihr, sich auf die zenankhana zu beschränken. Sie wird deshalb von Kritikern als "aufsässige" Königin empfunden: Sie beansprucht beispielsweise den öffentlichen Raum, indem sie nach dem Morgengebet an der Seite ihres Mannes für den Jharoka Darshan - ein alter Mogul-Brauch - vor Publikum auf den Balkon tritt, während die Frauen nach den purdah Richtlinien hinter die bewachten Tore des Hartems verbannt sind.

Im islamischen Denken gibt es drei Zeichen der Souveränität: 

Eines davon ist, dass Münzen mit dem Namen des Herrschers geprägt werden. Es gibt Münzen aus jenen Tagen in diversen Museen, die haben auf der einen Seite den Namen Nur Jahan, auf der anderen Seite den ihres Mannes Jahangir. Sie handelt mit europäischen Kaufleuten und kassiert Zölle von reisenden Kaufleuten aus anderen Provinzen. Sie prüft die Beglaubigungen aller ausländischen Gesandten und pflegt die Diplomatie mit hochrangigen Frauen in anderer Länder. 

Das zweites Zeichen sind kaiserliche Befehle. 10 bis 15 dieser imperialen Befehle in den Archiven tragen Nur Jahans Unterschrift. Ein beispielloser Akt ist die Tatsache, das neben der Unterschrift des Kaisers in allen Briefen und Ernennungsurkunden ihr  Namen - Nur Jahan, die Königin Begum - hinzugefügt wird, wodurch sie alle Beförderungen und Herabstufungen im Dienst der kaiserlichen Regierung kontrollieren kann. 

Worum ging es bei ihren Anordnungen? In einem Beispiel geht es um den Schutz der Rechte der Bauern. Als einem das Land weggenommen worden ist, gibt es eine von Nur Jahan unterzeichnete Anweisung, dass es zurückgegeben werden muss. "Sie war ein Asyl für alle Leidenden", wird einmal über sie gesagt. Während ihrer sechzehnjährigen Herrschaft arrangiert sie beispielsweise auch Eheschließungen für mindestens 5000 Waisenmädchen und gibt ihnen eine Mitgift. Viele Menschen profitieren von ihrer Wohltätigkeit. Sie besitzt aber auch die seltene Gabe, Probleme zu lösen, was sogar ihre Gegner anerkennen müssen.

Ein drittes Zeichen, das weniger dem Islam, denn indischen Traditionen entstammt, ist der oben erwähnte "Jharoka Darshan", den Janhangirs Vater Akbar eingeführt hat. Das ist der Brauch, bei dem der Herrscher zwei Mal am Tag auf einem Balkon erscheint, um dem einfachen Volk eine Audienz zu geben und ihn seine Untertanen wie eine göttliche Vision wahrnehmen. Nur Jahan ist immer dabei.

Abul- Hasan Nadiruz Zaman: 
Portrait of Nur Jahan Holding a Gun
(17. Jahrhundert )
Die Jagd auf Löwen und Tiger ist ebenso das Vorrecht des Souveräns. Nur Jahan nimmt auch das für sich in Anspruch. Es gibt sogar ein Porträt von ihr, in dem sie eine Muskete lädt. Auf einem Elefanten zu reiten gilt auch als militärische Leistung, die Geistliche, ja alle Männer, verwirrt. Dennoch stellen sie sich nicht gegen Nur Jahan.

All diese Aktivitäten sind nicht verwunderlich, sind sie immer als Paar in ihrem Reich unterwegs. Einmal passiert es, dass auf dem Weg nach Kaschmir, ein unzufriedener Adliger namens Mahabat Khan Janhangir gefangen nimmt. Auf einem Kriegselefanten reitet Nur Jahan in die Auseinandersetzung, um zu intervenieren und ihren Mann freizubekommen. Sie scheitert und muss sich ergeben und gerät nun mit in Gefangenschaft, geht aber auf eine so strategisch geschickte, geplante Weise mit der Situation um, so dass sie sich und ihren Ehemann letzten Endes befreien kann.

Oft wird bis heute angeführt, dass sich Nur Jahan diese Co - Souveränität, diese Macht nur beschaffen hat können, weil den Kaiser sein Alkoholismus und seine Opiumsucht oft schachmatt gesetzt hat. Er selbst hat immer betont, dass sie als Paar funktioniert haben, auch aufgrund ihrer gemeinsamen Interessen für Kunst, Architektur und Mode. So ist sie z.B. bei mehreren Bauten der Mogul-Architektur planend und federführend beteiligt: Bereits im Jahr 1618 gibt sie den Bau einer später nach ihr benannten  Karawanserei im Punjab in Auftrag. Weitere Rastplätze für Reisende und Kaufleute werden folgen. Später entwickeln sie auch eine gemeinsame Leidenschaft für Gärten. Rambagh oberhalb des Flusses Yamuna gelegen ist ihr berühmtester und wohl schönster Garten.

Ein kleiner, intimer Moment, Zeugnis für ihre Beziehung voller Zuneigung und Sympathie ist die Formulierung in Janhangirs Erinnerungen, sie habe ihn "besser als jeder Arzt" betreut, als er krank gewesen ist. Unvorstellbar für uns heute, dass es eine solche erotische Darstellung eines Herrscherpaares gibt, wie die von Nur Jahan & Janhangir, die im Los Angeles County Kunstmuseum aufbewahrt wird.

Am 28. Oktober 1627 stirbt Nur Jahans Ehemann mit 58 Jahren in Khanpur Chingas / Kaschmir, auf dem Weg nach Lahore. Sein Tod löst einen Erbfolgekrieg zwischen seinen beiden noch verbleibenden kompetenten Söhnen Prinz Khurram - später Shah Jahan - und Prinz Shahryar. Jahangirs ältester Sohn ist geblendet worden, nachdem er sich gegen den Vater aufgelehnt hat, sein zweiter Sohn, Parviz, gilt als schwach und alkoholabhängig.

Nur Jahan ist in diesem Falle Partei, hat sie doch Shahryar mit ihrer Tochter Ladli verheiratet. Khurram, religiös konservativ, während Nur Jahan liberal ist, was zu Reibereien führt, ist Ehemann ihrer Nichte Mumtaz Mahal ( ja die, für die er das Taj Mahal in Agra bauen lassen wird ). Diese Verehelichungen stellen erst einmal sicher, dass sich der Einfluss der Familie Nur Jahans auf die eine oder andere Weise über das Mogulreich für mindestens eine weitere Generation erstrecken wird. Ihr Bruder Asaf Khan schlägt sich auf nachvollziehbare Weise dann auf die Seite seines Schwiegersohnes. Nachdem dieser seinen Bruder Shahryar besiegt hat und ihn hinrichten lässt, besteigt Khurram als Shah Jahan 1628 den Thron der Mogulkaiser.

Die meisten Matriarchinnen jener Tage ziehen sich nach dem Tod ihrer Männer in den Harem zurück. Wenn Nur Jahan sich entschieden hätte, in den ihres Stiefsohns und ihrer Nichte zu gehen, dann wäre sie willkommen geheißen und ihr wäre vergeben worden. Doch die 51jährige entscheidet sich für das Alleinsein. Als ehemalige Souveränin besitzt sie mehrere Ländereien und anderes kaiserliches Eigentum. Sie verbringt den Rest ihres Lebens lieber zusammen mit ihrer Tochter Ladli in einer komfortablen Villa in Lahore, heute Pakistan. Dort beschäftigt sie sich alsbald mit der Fertigstellung des Mausoleums ihres Vaters in Agra, das dieser 1622 selbst begonnen hat. Heute ist es als Itmaddaulahs Grab ein Touristenmagnet. Sie führt also ihr eigenes Leben. Und dazu gehört auch, dass sie ihr eigenes Grabmal im Shahdara Bagh plant, in dem sich auch das ihres Mannes befindet, und es selbst bezahlt. ( Beide Gebäude sind als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt.) 

Von links nach rechts: Grabmal Nur Jahan, Grabmal ihres Vaters, Grabmahl ihres Ehemannes Jahangir


Es gibt allerdings keine Quellen für diese letzten Jahre Nur Jahans. Ihr Stiefsohn setzt alsbald das Narrativ in die Welt, dass sie eine überaus manipulative Ehefrau gewesen und Jahangir jemand gewesen sei, der sich leicht manipulieren ließ. In der Tradition des Chauvinismus wird sie nach und nach bis zur Karikatur verformt, und Indiens hindu-nationalistische Regierung heutzutage verstellt die Erinnerung an die Vielfalt der einstmaligen indischen Traditionen: Nur Jahan ist eine schiitische Muslima gewesen, die einen sunnitischen Kaiser geheiratet hat, der wiederum eine hinduistische Mutter und sowohl hinduistische als auch muslimische Frauen und Konkubinen in seinem Harem gehabt hat. 

Nur Jahan stirbt am 17. Dezember 1645 in Lahore. 72 Jahre ist sie geworden. Sie wird im Shahadra Bagh, Lahore, in ihrem Grabmal aus rotem Sandstein beigesetzt, nur einen kurzen Spaziergang von der letzten Ruhestätte ihres Mannes entfernt.

Ihre Geschichte ist eine, die von politischer Geschicklichkeit & militärischer Kompetenz zeugt und an viele kulturelle Errungenschaften erinnert. Während sich die kulturellen Manifestationen geändert haben, hat ihre Legende mythologische Ausmaße angenommen und ein Teil der Realität ihres Lebens bleibt geheimnisumwittert. Das, was ich in Erfahrung gebracht habe, hat mich letzten Endes mehr beeindruckt & fasziniert als ihre modischen & textilen Erfindungen.


Donnerstag, 29. Dezember 2022

In Erinnerung

 
an die 
Modemacherin

Vivienne Westwood

© dpa, Hannah Mckay, bsc alf

die heute im Alter von 81 Jahren 
in Clapham/Südlondon im Kreise ihrer Familie
gestorben ist.

"Vivienne hat bis zum letzten Moment die Dinge getan, die sie liebte: 
Entwerfen, an ihrer Kunst arbeiten, 
ihr Buch schreiben und die Welt zum Besseren verändern",
so ihre Familie.

Mir hat sie immer imponiert
in ihrer Vielseitigkeit
&
ihrem rebellischen Wesen,
ihrem Eklektizismus, 
ihrer Kenntnis der Modegeschichte,
ihres Engagements für
Frieden, Menschenrechte, Umwelt- und Tierschutz.

An dieser Stelle ist mein Porträt
von Vivienne Westwood
nachzulesen.

RIP

                                                         

Donnerstag, 20. Oktober 2022

Great Women #316: Grete Schickedanz

Mit dem Quelle - Katalog bin ich in der tiefsten deutschen Provinz quasi aufgewachsen. Er war Bilderbuch, Materialsammlung für eigene Collagen und Inspiration für eigene Modeentwürfe. Gedanken darüber, wer hinter dem Ganzen steckt, hab ich mir als Kind natürlich nicht gemacht. Erst später habe ich von ihr gehört: Grete Schickedanz.


Grete Schickedanz kommt am 20. Okober 1911 als Grete Lachner in Fürth in ärmlichen Verhältnissen als dritte Tochter auf die Welt. Mit dem Wochenlohn, den ihr Vater, Heinrich Lachner, als Flaschnergehilfe nach Hause bringt, kommt die siebenköpfige Familie - neben den Schwestern Maria & Betty  gehören die jüngeren Brüder Hans & Karl dazu - nicht aus, und Katharina Unger, die Mutter, verdingt sich ebenfalls als Tagelöhnerin, damit es für den mehr als bescheidenen Haushalt in der Flößaustraße in der Fürther Südstadt zum Notwendigsten reicht. Immerhin besitzt die Familie zwei Kühe.

Grete wird, während die Mutter arbeitet, bei der Großmutter untergebracht, die bei einem Onkel wohnt. Im Wirtshaus des Onkels verdient sich das unterernährte Kind manchmal ein paar Pfennig Taschengeld, an der Theke als Spülerin oder als Aushilfskellnerin. Das Geld liefert sie bei den Eltern ab. Sie ist so dünn, dass ihr ihre Lehrerin schon mal Milchpulver zusteckt. Später wird sie der Fürther Freimaurerloge Geld zukommen lassen, weil sie dort in ihrer Kindheit etwas zu essen bekommen hat.

Obwohl sie Klassenbeste ist, kommt für sie eine weiterführende Schule aus finanziellen Gründen einfach nicht infrage. Ihren Berufswunsch - Kindergärtnerin - muss sie ebenfalls aufgeben. Stattdessen tritt die Fünfzehnjährige auf Rat der Großmutter an die Frau Schickedanz heran und wird am 1. Januar 1927 als fünftes Lehrmädchen im Warenhaus des Gustav Schickedanz eingestellt. Eigentlich habe sie das nur widerwillig getan, wird sie später erzählen.

Am 7. Dezember 1922 hatte Gustav Schickedanz, 1895 in Fürth geboren und ein Selfmademan nach amerikanischem Vorbild, die gleichnamige "Kurzwaren en gros"-Handlung in der Fürther Moststraße 25 gegründet. Als offizielles Gründungsdatum gilt jedoch der 11. November 1927, an dem Schickedanz das Versandhaus Quelle separat in das Handelsregister eintragen ließ. Sitz ist zunächst die Königswarterstraße 10. Das Anfangssortiment besteht aus Wolle, Stoffen und kleinen Artikeln des täglichen Bedarfs, die - da ohne Zwischenhändler - zu einem günstigeren Preis direkt an den Endverbraucher gelangen. 

"Dukatenwolle" - die erste Hausmarke der Quelle

Als Lohn erhält Grete 21 Reichsmark, von denen sie 15 zu Hause abgibt. Die Arbeit fängt um sieben Uhr an und endet oft erst abends um neun oder zehn Uhr. Eine große Chance für die überaus tüchtige Grete ist die Gründung des Versandhandels bei Schickedanz, wo sie bereits nach kurzer Zeit für die Warenkontrolle, für das Zusammenstellen der Lieferungen zuständig ist, Pakete verschickt und die Buchhaltung der neuen Firma führt. Bald übernimmt sie sogar den gesamten Einkauf, bastelt aber auch mit den anderen Mitarbeiter*innen abends an Musterheften mit Wollproben für die Kundschaft. Sie ist auch eine, die vor dem Kauf fühlen muss, da versteht sie die Kundinnen.

Und bald gehört Grete gewissermaßen auch zur Familie: Mehrmals in der Woche kümmert sie sich um die Schickedanz-Kinder Leo und Louise und wird geschätzt von allen Familienmitgliedern, vor allem aber auch von Anna Schickedanz.

"Am Abend des 13. Juli 1929, kurz vor München an der Ingolstädter Landstraße, hatte ein Unfall fast eine ganze Familie ausgelöscht. In dem Wrack des Firmenwagens starben Gustav Schickedanz’ Ehefrau Anna, sein kleiner Sohn Leo und der 72-jährige Vater des Jungunternehmers. Nur Gustav Schickedanz hatte die Tragödie überlebt, schwerverletzt – und seine damals vier Jahre alte Tochter Louise. Und noch jemand war dem Tod wie durch ein Wunder entkommen: das damalige Lehrmädchen Grete Lachner, die Vertraute von Anna Schickedanz und in der aufstrebenden Firma längst unentbehrlich geworden", schreibt das Münchener Abendblatt über das für Grete schicksalhafte Ereignis.

Grete hätte auf der Fahrt nach München dabei sein sollen, aber Anna Schickedanz hat ihr für den Samstagabend eine Konzertkarte geschenkt... 

Das "Fräulein Grete"

Die Achtzehnjährige wird nun zur rechten Hand ihres Chefs, der die Klinik erst nach Wochen verlassen kann und lange depressiv ist ( währenddessen leitet seine Schwester das Geschäft ), begleitet ihn auf Geschäftsreisen. Sie kümmert sich auch um die kleine, unverletzte Tochter Louise. Außerhalb ihrer Arbeitszeit besucht  sie Kurse, um Sprachen zu lernen und ihren Horizont zu erweitern. Sie erspart sich sogar vom schmalen Taschengeld ein Klavier und den dazugehörigen Unterricht.

Es ist die Zeit der großen Wirtschaftskrise. Dennoch floriert das Geschäft: 1932 sind die "illustrierten Preislisten", Vorläufer des Quelle-Katalogs, bereits ein Bestseller mit einer Auflage von 150 000 Stück. Die Slogans: "Quelle-Waren sind staunend billig und überlegen." Oder: "Alle Stunden neue Kunden." 

Gretes Domäne in der Firma ist der Textileinkauf - und wird bis zu ihrem Tod bleiben - beweist sie auf diesem Gebiet doch ein gewisses Gespür. 

In den 1930er-Jahren kann sie sich ein Haus in Fürth in der Dambacher Parkstraße kaufen, das zum Treffpunkt ihrer Familie wird und wo auch Gustav Schickedanz öfter zu Gast ist. 

Inzwischen ist aus dem Verhältnis zwischen dem einstigen Lehrmädchen und dem Chef eine Liebe geworden. Wohl aus Rücksicht auf die Gefühle seiner Tochter Louise wartet Schickedanz mehr als ein Jahrzehnt, das Verhältnis zu legalisieren - bis die Tochter auf die Absurdität aufmerksam macht. Am 8. Juni 1942 heiraten Grete und Gustav endlich in der Kirche St. Paul in der Fürther Südstadt.

Grete mit Gustav Schickedanz 1936 in Berlin
Unterdessen ist die "Quelle" unter den Nationalsozialisten zum größten Wollversandhaus Deutschlands aufgestiegen. Bis 1936 steigt die Zahl der Quelle-Kunden bereits auf eine Million und die der Mitarbeiter verzehnfacht sich auf 500. Man wirbt mit dem Spruch "Kauft deutsche Waren in dieser deutschen Quelle", was durchaus eine Übereinstimmung mit den Vorstellungen der Nazis beweist. Gustav Schickedanz ist seit 1932 NSDAP-Mitglied und wird 1935 zum Stadtrat berufen, mit der speziellen Aufgabenstellung der Arisierung jüdischer Betriebe. Bis 1939 kauft er rund zwei Dutzend Häuser, zwei Brauereien und dazu sechs Firmen - solche, wie das Textilversandunternehmen Mayer oder die Vereinigten Papierwerke Heroldsberg, die in jüdischem Besitz gewesen sind. In den Erinnerungen der Hauslehrerin Louises, Emilie Lottes, ist die Haltung Gustav Schickedanz' zum Nationalsozialismus pragmatisch, aber distanziert gewesen und in der Kriegszeit wird auch bei bei der Familie heimlich der "Feindsender" BBC gehört.

Heirat 1942
Welche Haltung Grete zu all diesen Machenschaften eingenommen und wie sie zum Nationalsozialismus gestanden hat, ist nicht herauszufinden. Grete hat sich, auch Vertrauten gegenüber, selten geäußert. Es sei alles "normal" gelaufen. Auf jeden Fall tritt sie bei den Zukäufen und Vergrößerungen des Konzerns nicht in Erscheinung.

Am 20. Oktober 1943 bringt Grete im Luftschutzbunker der Nürnberger Frauenklinik die gemeinsame Tochter ­Madeleine zur Welt. In dem Jahr fällt auch das Firmengebäude der "Quelle" in der Artilleriestraße, heute Sonnenstraße 48, den alliierten Bombenangriffen zum Opfer, und es ist aus mit dem Versandhandel. Er funktioniert nur noch im Notbetrieb. Die Schickedanz' ziehen mit dem Baby in die mittelfränkische Kleinstadt Hersbruck, wo sie ein Wochenendhaus haben.

Vielleicht wäre Grete nie ganz aus dem Schatten ihres Mannes herausgetreten und hätte sich als Frau in der Männerwelt der Wirtschaftsbosse Gehör und Achtung verschaffen können, wenn nicht die neuen politischen Gegebenheiten nach dem Krieg ihr diese Chance geboten hätten. Unter den amerikanischen Besatzern sind Gustav Schickedanz nämlich seine unternehmerischen Hände gebunden: Als ehemaliges NSDAP-Mitglied und nationalsozialistischer Stadtrat in Fürth erhält er Berufsverbot. Sein in weiten Teilen zerbombtes Firmenimperium wird bis auf weiteres beschlagnahmt, die noch vorhandenen Warenbestände werden geplündert.

Grete beschließt, von vorn anzufangen und eröffnet in Hersbruck bei Nürnberg, wo sie jetzt in einer Dreizimmerwohnung wohnen, weil ihre Immobilien von den Amerikanern genutzt werden,  ein kleines Textilgeschäft, das "Lädle", das sich später als Zellkern des Quelle-Konzerns erweisen wird. Vor dem Laden stehen die Menschen Schlange.

"Meine Mutter hat uns über Wasser gehalten", erinnert sich Louise Schickedanz später. "Wir hatten noch Stoff- und Wollreste, mit denen sie angefangen hat zu handeln. Die hat sie bei Bauern eingetauscht gegen Lebensmittel. Sie war immer die Bodenständige, während mein Vater wie gelähmt dasaß.

Gustav Schickedanz befindet sich in einer großen persönlichen Krise, während Grete Kontakt zu ihren früheren Lieferanten aufnimmt und mit einen klapprigen Fünftonner samt Chauffeur, den ihr der Flüchtlingskommissar auf ihr inständiges Drängen genehmigt hat, geht sie nun allein auf Geschäftsreisen. Unterwegs im kriegsversehrten Land sammelt sie alles an Waren ein, was sie finden kann. Sie stößt auf positive Resonanz, denn der Name Schickedanz hat nach wie vor einen guten Klang. Die ehemaligen Lieferanten, ebenfalls vor dem Nichts stehend, sind froh, wieder ins Geschäft zu kommen. 

"Grete macht jetzt, was sie am besten kann: prüfen, verhandeln, einkaufen. Der Verkauf läuft von allein – Hemden, Hosen, Unterwäsche werden dem "Engel von Hersbruck" von der ausgehungerten und heruntergekommenen Bevölkerung aus der Hand gerissen", schreibt Georg Etscheit an dieser Stelle. "Das schüchterne Lehrmädel ist zur durchsetzungsfreudigen Geschäftsfrau herangewachsen, die kein Hindernis scheut."

Als ihr Textilgeschäft einmal geschlossen werden soll, überredet sie den bayerischen Wirtschaftsminister Ludwig Erhard, ebenfalls ein Fürther, mit zur US-Militärregierung nach München zu kommen, um sich für sie einzusetzen. Es heißt, der Chef der zuständigen Property Control sei ihrem Charme erlegen, und eine Woche später ist Gretes "Lädle" wieder offen. So legt die junge Unternehmerin den Grundstein für den Neubeginn der "Quelle" und den Aufbau zum Weltkonzern.

Das erste Geschäftshaus in der Königswarter Straße
1949 wird Gustav Schickedanz entlastet und erhält sein Unternehmen aus der Treuhänderschaft zurück. Grete übergibt ihr Hersbrucker Geschäft den dortigen Mitarbeitern und kehrt ebenfalls zur "Quelle" zurück. Ihr zu verdanken ist es, dass sie die Verbindung zu den Lieferanten gehalten und den guten Namen der Schickedanz in der Textilbranche erhalten hat. 

Die Arbeitsteilung, die sich seit der "Stunde null" herausgebildet hat, bleibt erhalten. Der schöngeistige Gustav Schickedanz, der Rilke liebt und holländische Meister sammelt, ist Denker und Ideengeber. Grete, die tatkräftige, setzt die guten Ideen um. Sie widmet sich ihrer traditionellen Domäne, dem Einkauf, und den Preislisten, die nun unter dem Namen "Neueste Quelle Nachrichten" vertrieben werden. 

Auch in ihre Villa in Dambach kann die Familie zurückziehen. Dort wächst die Tochter mit Erzieherinnen auf. Grete scheint ein schlechtes Gewissen zu haben, dass sie wegen ihrer Arbeit so wenig Zeit für ihr Kind hat. "Sie war für diese Rolle geboren. Das war von ihr bewußt gewählt", wird Madeleine später sagen.

Das "Traumpaar des Wirtschaftswunders" in den 1950er Jahren

Das Versandgeschäft boomt: 

1950 sind in der Kundenkartei 100 000 Adressen gespeichert und zwölf Millionen D-Mark in der Kasse. Schon bald stoßen die Versender an ihre Grenzen. Zwei Jahre lang erarbeitet ein Ex-General mit Ingenieuren ein völlig neues Transport- und Logistiksystem. 1956 wird die elektronische Anlage vom Bundeswirtschaftminister Ludwig Erhard feierlich in Betrieb genommen. Das Sortier- und Versandsystem kann täglich 100 000 Pakete bewältigen und die "Quelle" hat den Grundstock dafür gelegt, zu einem Wirtschaftsgiganten heranzuwachsen. Grete sucht nach neuen Artikeln, die in einen Wiederaufbauhaushalt gehören und nimmt diese ins Sortiment auf, darunter Fahrräder & Möbel. Unverständnis erntet sie für die Absicht, 1959 eine Nähmaschine anzubieten. Das Angebot läuft, entgegen der Meinung von Ehemann & Marketingfachleuten, sehr gut. Grete: "Männer verstehen zu wenig von der Hausarbeit." (  Meine erste Nähmaschine ist auch eine von Quelle gewesen, die mich bis Mitte der 1980er Jahre begleitet hat. )

1962 bricht Grete auf in die weite Welt: Sie reist nach Hongkong, um Millionenverträge abzuschließen mit Männern, die über eine Frau als Geschäftspartnerin mehr als erstaunt sind.

"Bei der Durchsicht der Waren ist sie flink wie ein Bankkassierer, der in Windeseile Geldscheine zählt und hinblättert. In Gedanken ist sie dabei bei ihrer engeren Umgebung - der Tochter, der Haushälterin- und überlegt, ob die Artikel ihnen passen könnten. Zu Hause hat sie stets ein Auge darauf, was ihre Umgebung trägt. [... ] Sie ist dicht an der Ware, das ist ihre Leidenschaft. Sie kann die Ware beurteilen und weiß deshalb, wieviel sie später im Katalog kosten darf. Sie hat ein Gefühl für den Versandhauskunden, dessen Geschmack - das ist nicht einfach, denn sie bekommt ihre Abnehmer fast nie zu Gesicht. ( Quelle hier )

Eingekauft wird auch in Europa. Handelskontakte werden auch zur DDR und den anderen Staaten des Ostens geknüpft. Was Fotoapparate anbelangt, weicht die "Quelle" auf Japan aus, weil die deutsche Fotoindustrie sich weigert, Versandhändler zu beliefern. Ende der 1960er Jahre nennt sich Foto-Quelle das größte Fotospezialhaus der Welt. 1962 wird auch eine Reiseprogramm aufgelegt. Grete Schickedanz verkörpert & betreibt die Globalisierung ihres Unternehmens.

Mit Heinz Oestergaard
Im Sommer 1967 holt sie den Haute-Couture-Modeschöpfer Heinz Oestergaard mit ins Boot. Der wird fortan beraten und eine eigene Kollektion im Katalog präsentieren und anbieten. Ein Paukenschlag! Oestergaard hat bis dahin die deutschen Stars der Nachkriegszeit eingekleidet. Grete ist getrieben von dem Wunsch, den Kunden im Katalog ein neues Einkaufserlebnis zu bieten. Und da zeigt sie sich flexibel und lässt alte ( Mode- )Strümpfe sausen. Oestergaard kann sie auch überzeugen, seine Mode in kleinen Schauen zu präsentieren. Konfliktfrei ist das Verhältnis nicht, aber stimulierend: Overalls mag Grete nicht, Oestergaard setzt sie durch, Extravagantes bleibt draußen, dafür gibt es den Mode-Mix, die "Coordinates". Bis 1985 dauert die Zusammenarbeit.

Manche der Einkäufer*innen hätten gerne etwas gewagtere Mode im Katalog gehabt, doch die Umsatzzahlen lassen solche Ideen wie ein Soufflée zusammenfallen. Bekleidung, die zu sexy ist, wird von den Kunden sofort per Brief kritisiert, also bleibt sie draußen. Später wird im Vergleich mit dem Hamburger Konkurrenten Otto deutlich:  die "Quelle" steht auf der konservativen Seite. 

Der dickleibige Quelle-Katalog - mit einer Auflage von zwei mal zwölf Millionen jährlich wohl der absolute Bestseller im Lande - werden maßgeblich von Grete gestaltet, aber auch betriebliche Verbesserungen für weibliche Mitarbeiter, einer Herabsetzung der Altersgrenze auf 60 Jahre lange vor der entsprechenden gesetzlichen Regelung, und ein Kindergarten und ein Altersheim gegründet.

1973 knirscht es etwas im riesigen Getriebe des Versandhauses: Der erste Ehemann von Tochter Madeleine, stellvertretendes Mitglied der Geschäftsleitung und Beirat des Versandhauses scheidet aus dem Unternehmen aus. Damit geht Grete ein potentieller Nachfolger verloren. Sie versucht noch Brücken zu bauen, aber als sie merkt, dass das nicht geht, akzeptiert sie die Wünsche der Tochter. Getroffen hat sie das alles sehr.

Am 27. März 1977 stirbt Gustav Schickedanz mit 81 Jahren drei Tage nach einem Herzanfall. Das 50. Firmenjubiläum erlebt er nicht mehr. Grete hat schon vorher die ersten Weichen neu gestellt. Sie übernimmt ein Haus mit acht Milliarden Mark Umsatz und 42 000 Mitarbeiter*innen und gründet die  Konzern-Holding und bewerkstelligt die Umstellung des Familienbetriebs auf modernes Management, stoppt aber allzu radikale Maßnahmen. Chef der Holding wird der Schwiegersohn Hans Dedi, Grete rückt an die Spitze des "Flaggschiffs". Obwohl sie die Fünfundsechzig erreicht hat, will sie sich nicht zur Ruhe setzen.

Nach Jahren stupenden Wachstums hat die "Quelle" ihren Zenit erreicht. 1981 beträgt der Umsatz zehn Milliarden Mark. Aber die Kunden in den großen Städten werden immer kritischer und die Umsätze gehen fortan zurück. Erste Krisenzeichen werden nicht ernst genommen, wohl auch von der Grande Dame des Versandhandels. In dem für seine soziale Verantwortung bislang so gerühmten Konzern kommt es zu Massenentlassungen, bei den Vereinigten Papierwerken müssen 800 Mitarbeiter gehen. In den zwei Jahren 1984 und 1985 macht die "Quelle" einen Verlust von rund 50 Millionen Mark. 

"Mitte der 80er Jahre häufen sich die Probleme wie nie zuvor, und es wird auch für die intuitive und stets agile Frau Schickedanz schwieriger, den richtigen Weg zu finden." ( Quelle hier )

Am 1. Februar 1987 übergibt Grete die Macht in die Hände von Klaus Zumwinkel

Im September 1986 hat die Unternehmerin in Spanien schon einen Herzinfarkt erlitten, doch ihre Vitalität scheint dadurch nicht gebrochen, und sie führt weiter die Regie bei der Quelle-Mode. Noch vor dem Fall der Mauer forciert sie den Einstieg in den russischen Markt und später - ihre letzte unternehmerische Entscheidung - den Ausbau eines "Quelle"- Versandzentrums in Leipzig. Geschätzte Investition: eine Milliarde Mark.

1993 legt sie ihre Führungsämter nieder, nachdem sie an Alzheimer erkrankt ist. Im darauffolgenden Jahr stirbt Grete Schickedanz am 23. Juli an einer Herz-Kreislauf-Schwäche. 82 Jahre alt ist sie geworden. In Fürth wehen die Fahnen auf Halbmast, als sie beerdigt wird.

Den Niedergang der "Quelle", die Insolvenz des späteren Mutterkonzerns Arcandor samt Tochterfirmen miterleben zu müssen, bleibt ihr erspart.